Der US-Präsident erklärt, keine Strategie im Kampf gegen die Extremisten im Irak und in Syrien zu haben. Schnelle Luftangriffe der USA scheinen inzwischen nicht mehr sehr wahrscheinlich zu sein.

Washington - Dieser Satz dürfte ihn noch einige Zeit verfolgen. Als US-Präsident Barack Obama jetzt seine Pläne für den Kampf gegen die Terrormiliz IS im Irak und in Syrien vorstellen wollte, räumte er in bemerkenswerter Offenheit ein: „Wir haben noch keine Strategie.“ Prompt hagelte es Kritik an dem scheinbar planlosen Präsidenten – und das Weiße Haus ging in den Verteidigungsmodus über.

 

Obamas jüngste Pressekonferenz stand in bemerkenswertem Kontrast zu seinem Auftritt vor gut einer Woche. Als er damals über die Hinrichtung des US-Journalisten James Foley sprach, fühlten sich Beobachter an seinen Amtsvorgänger George W. Bush erinnert. Obama sprach von IS als einem Krebsgeschwür, das es auszumerzen gelte. „Wir werden unnachgiebig sein“, sagte der Friedensnobelpreisträger. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel nannte die sunnitische Terrortruppe die größte Bedrohung für die USA seit den Anschlägen vom 11. September. Und spätestens als hohe US-Militärs erklärten, wie die Miliz zu besiegen sei, schien es nur noch eine Frage von Tagen zu sein, bis Obama Luftschläge auch in Syrien anordnen würde.

Nicht noch mal eine rote Linie

Doch Obama will sich damit offenbar Zeit lassen und vermeiden, wieder eine rote Linie im Nahen Osten zu ziehen. Im vergangenen September hatte der US-Präsident nach einem Massaker mit Giftgas an syrischen Zivilisten schon einmal mit einem Militärschlag gedroht, diesen aber schließlich abgeblasen. „Syrien ist nicht nur eine militärische Angelegenheit, es ist auch eine politische“, sagte Obama jetzt.

Nun soll erst US-Außenminister John Kerry nach Verbündeten im Kampf gegen IS suchen. Das könnten arabische Staaten sein, aber auch westliche Alliierte. Zudem soll Verteidigungsminister Hagel Pläne für Militärschläge in Syrien vorlegen, die zwar IS nachhaltig treffen, aber nicht indirekt das Assad-Regime unterstützen. In US-Medien hieß es in den vergangenen Tagen, Armee und Geheimdienste hätten noch nicht genügend Informationen über IS in Syrien und zudem die Sorge, dass die Luftabwehr der regulären syrischen Armee eine ernsthafte Gefahr für US-Flugzeuge darstellen könnte. Schließlich werde es auch noch Beratungen mit dem US-Kongress über das militärische Vorgehen geben, kündigte Obama an. „Wir müssen sicher sein, klare Pläne zu haben“, sagte er.

Ist eine Freiwilligenarmee die Lösung?

Ausgewiesene Nahost-Experten wie Kenneth Pollack glauben ohnehin, dass es mit Luftschlägen gegen die Terrormiliz nicht getan ist. Pollack schlug in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Foreign Affairs“ vor, die USA sollten etwa in Jordanien und in der Türkei eine syrische Freiwilligenarmee ausbilden und diese dann zeitgleich in den Kampf gegen Assad und IS schicken. Das werde zwei bis fünf Jahre dauern und verspreche mehr Erfolg als Luftschläge allein. Damit werde auch ein Einsatz von US-Bodentruppen vermieden, den die Mehrzahl der Amerikaner nach den Kriegen in Afghanistan und im Irak ablehne.

Obamas auffällige Zurückhaltung in einer der schwersten außenpolitischen Krisen seiner bisherigen Amtszeit rief ätzende Kritik aus den Reihen der Republikaner hervor. John McCain twitterte empört, IS sei die größte und reichste Terrorgruppe aller Zeiten – doch der Präsident räume freimütig ein, keine Strategie zu haben. Mike Rogers, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, sagte, er sei schockiert gewesen.