In der Provinz Zenjang zerstören die Behörden schon mehr als 160 Kirchen. Auch andere Religionen leiden unter Restriktionen der Partei. Moslems sind massiv beim Fasten im Ramadan behindert worden.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Wenzhou - Der Einsatz als menschliches Schutzschild brachte nichts. Rund tausend Gläubige hatten sich Mitte Juli um ihre Kirche geschart, um zu verhindern, dass von dort die Kreuze abgeschraubt werden. Die Behörden der südostchinesischen Metropole Wenzhou ließen sich davon nicht beeindrucken. Das Symbol der Christen ist verschwunden. Zudem habe es rund 60 Verletzte gegeben, als die Polizei mit Eisenstangen gegen die Demonstranten vorgegangen sei, sagt Ulrich Delius. Der Asienreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker spricht von einer Eskalation der Gewalt in der Region. In den sozialen Medien des Landes kursieren Bilder, die auf gewaltsame Auseinandersetzungen hindeuten. Es sind blutüberströmte Menschen darauf zu sehen.

 

Die christliche US-Organisation China aid berichtet, dass die lokalen Behörden in der Küstenprovinz Zenjang, zu der Wenzhou gehört, seit Januar mehr als 160 Kirchen teilweise oder ganz abgerissen haben. Auf ihrer Webseite www.chinaaid.org hat die Organisation, die in der Volksrepublik bestens vernetzt ist, zahlreiche Bilddokumente von den verschiedenen Aktionen aufgelistet und die Kirchen genau beschrieben. Zu sehen sind große Kranwagen, die vor den verschiedenen Häusern Position bezogen haben und mit Seilwinden die Kreuze vom Dach heben.

Die meisten Kirchen wurden ohne Genehmigung gebaut

Offiziell gehen die Behörden mit Kran und gelegentlich auch mit Bulldozer gegen Schwarzbauten vor. Und in der Tat: die Mehrzahl der nun zerstörten oder ihres zentralen Symbols beraubten Gotteshäuser ist entweder völlig ohne Genehmigung errichtet worden oder aber so oft erweitert worden, dass die ursprünglich genehmigte Größe bei Weitem überschritten worden ist. Die Christen vor Ort bemängelten gleichwohl ein fehlendes Verständnis, sagt Delius. Insgesamt seien weit mehr als 100 Genehmigungen von verschiedenen Stellen notwendig, um offiziell ein Gotteshaus zu errichten. Gerade in dieser Region seien die Behörden in der Vergangenheit allerdings sehr pragmatisch mit den offiziellen Vorschriften umgegangen.

Den Grund für die harschen Aktionen sieht Delius in einer sich wandelnden chinesischen Gesellschaft und der Angst in Peking, die kommunistische Partei könne ihren Alleinherrschaftsanspruch verlieren. Vor allem das aufstrebende Bürgertum in den Städten sei offen für Glaubenslehren aller Art, nicht nur für christliche. Das sei den Herrschenden suspekt, weil sie befürchten, dass die Gruppierungen ihnen einmal gefährlich werden könnten. Gespeist wird diese Furcht aus der chinesischen Geschichte, in der aus religiösen Strukturen heraus immer wieder nach der Macht gegriffen wurde. Allein beim sogenannten Taiping-Aufstand sollen Mitte des 19. Jahrhunderts bis zu 20 Millionen Menschen zu Tode gekommen sein.

Auch andere Religionen haben es schwer

In China gibt es fünf staatlich anerkannten Religionen: Katholizismus, Protestantismus, Buddhismus, Daoismus und Islam. Daneben gibt es eine gewaltige Grauzone an Gemeinden, sogenannten Hauskirchen, die meist im Untergrund operieren. Von den nun im Mittelpunkt stehenden Kirchengemeinden gehören die meisten zu der offiziell anerkannten protestantischen Gemeinschaft. In Wenzhou, einer Stadt mit acht Millionen Einwohnern, sind Schätzungen zufolge rund eine Million Christen zu Hause. Britische Missionare waren hier am Ende des 19. Jahrhunderts besonders aktiv.

Allerdings haben es auch die anderen Religionsgemeinschaften in China nicht immer leicht. Das Treiben in manch einem buddhistischen Kloster wird nicht nur in Tibet streng überwacht, religiöse Aktivitäten in den Moscheen stehen unter Kontrolle. Und manch einem Moslem wird das Ausüben seiner religiösen Vorschriften im täglichen Leben erschwert. In der muslimisch geprägten Provinz Xinjang ist moslemischen Studenten, Lehrern und Staatsangestellten das Fasten während des diesjährigen Ramadan verboten worden.

Die Aktionen in der Provinz Zenjang gehen derweil weiter. Als die christlichen Aktivisten von China aid Mitte Mai die Liste mit den zerstörten oder beschädigten Kirchen ins Netz gestellt hatten, fanden sich darauf 64 Objekte. Zwei Monate später ist die Zahl auf 163 emporgeschnellt.