Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)
Lassen sich Vulkanausbrüche besser vorhersagen als Erdbeben?
Vulkan-Eruptionen haben den großen Vorteil, dass sie Punktquellen darstellen. Es gibt selten ganz neue Vulkane. Man kann sie über Jahrzehnte überwachen und bei wichtigen Änderungen wie Aufwölbungen am Vulkangebäude, verstärkte Gas-Emissionen oder charakteristischen vulkanischen Erdbeben feststellen, ob und wann ein Vulkan ausbrechen wird. Dann kann man entsprechend die Bevölkerung im Umkreis evakuieren.
Können Sie hierfür ein Beispiel nennen?
Vor dem Ausbruch des Merapi, einem der aktivsten Schichtvulkane auf der indonesischen Insel Java, wurden 2010 mehr als 300.000 Menschen ganz schnell evakuiert. Erdbeben dagegen lassen sich weder zeitlich noch räumlich genau vorhersagen, Sie führen daher oft zu vielen Tausenden von Toten wie zuletzt in Nepal oder in Südchina. Bei Vulkanausbrüchen ist in den vergangenen Jahrzehnten relativ wenig passiert, weil die Menschen rechtzeitig in Sicherheit gebracht wurden.
1985 reagierte man allerdings in Kolumbien viel zu spät.
Am 13. November 1985 brach der Nevado del Ruiz in Kolumbien aus. Eine Schlammlawine begrub die 47 Kilometer entfernte Stadt Armero und nahezu 25.000 Menschen unter sich. Schlammlawinen dieser Art waren dort schon aus den Jahren 1595 und 1845 bekannt. Die Stadt hätte dort nie errichtet werden dürfen. Geologen hatten schon ein Jahr zuvor gewarnt, aber die Behörden und die Politiker reagierten nicht.
Wie viele Vulkane sind weltweit aktiv?
Zwischen 1500 und 1900. Alle Vulkane, die nach der letzten Eiszeit in den vergangenen etwa 12 000 Jahren ausgebrochen sind, bezeichnet man als aktive Vulkane. Auf Gran Canaria, wo wir seit „prä-touristischer Zeit“ also seit 1965 forschen, gab es in den letzten 15 Millionen Jahren immer wieder Perioden mit verstärkter vulkanischer Tätigkeit. Dazwischen war wieder für ein paar Millionen Jahre Ruhe.
Die Kanaren, vor allem Gran Canaria, haben Sie intensiv erforscht. Warum?
Die Kanaren sind seit über 20 Millionen Jahren aktiv. Gran Canaria ist das beste Vulkanologie-Lehrbuch, das ich kenne. Ich habe von Nordkorea bis Patagonien, von der Osttürkei bis Kamerun und Nord- und Südamerika gearbeitet. Aber kein Gebiet ist so spannend wie Gran Canaria. Man kann dort ganzjährig arbeiten. Das Verkehrsnetz ist sehr gut ausgebaut und es gibt viele Canyons mit hervorragenden Aufschlüssen, auch in der tief erodierten ehemaligen Magma-Kammer.
Lassen sich auch hier vulkanische Aktivitäten vorhersagen?
Wir haben mal ausgerechnet, wie groß der zeitliche Abstand zwischen den Ausbrüchen in den vergangenen 500 Jahren auf den Kanaren im Durchschnitt war. Wir kamen auf ein Intervall von 40 Jahren. Die vorletzte Eruption war 1971 auf La Palma, die letzte 2011 auf El Hierro, wo es eine submarine Eruption gab.
Das ist ja fast wie ein geologischer Kalender.
All das deutet darauf hin, dass im Erdmantel unter den Kanaren relativ beständig Magma produziert wird und aufsteigt. Ähnliches ist beim Nemrut Dagi zu beobachten, einem 3050 Meter hohen, zuletzt 1881 aktiven Vulkan in der Osttürkei. Innerhalb der letzten 500.000 Jahren ist der Vulkan alle 30.000 Jahre massiv ausgebrochen. Dazwischen gab es immer wieder kleine Eruptionen.
Und wie sieht die Zukunft der Vulkanologie aus?
In Zukunft werden die Vorhersagen noch präziser, so dass es kaum noch große Unglücke geben wird, wenn ein Vulkan ausbricht.