Viele Menschen haben Angst vor Künstlicher Intelligenz. Eine Ausstellung in Karlsruhe geht unserem gespaltenen Verhältnis zur Technik auf den Grund. Mit welchem Ergebnis?

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Ganz ehrlich? Es gibt Sätze, die man Kunstwissenschaftlern durchaus zutrauen würde. Warum sollte man auch zweifeln an der Erklärung, dass im Mittelpunkt eines „kreisförmigen Tableaus“ eine „kunstvoll gefertigte Pasta-Form“ stehe – eine „Ode an die jahrhundertealte Kunstfertigkeit“? Eine Pasta-Form? Aber warum nicht, im Museum ist es schließlich üblich, auch hochtrabende Banalitäten stillschweigend hinzunehmen.

 

Im ZKM in Karlsruhe sind aber doch Zweifel angebracht am recht bedeutungsschweren Pasta-Geschwurbel. Denn wer in der neuen Ausstellung Informationen zu den Bildern an der Wand bekommen möchte, muss erst einmal selbst Fragen beantworten – und dabei auch, ob man Nudeln mag. Erst dann erhält man maßgeschneiderte Erklärungen zu den Bildern. Sie sind so blumig wie die Erläuterungen mancher Kuratoren, verfasst wurden sie aber mithilfe von KI, Künstlicher Intelligenz.

Statt Überfülle setzt der neue Direktor auf Konzentration und Teilhabe

„(A)I Tell You, You Tell Me“ nennt sich entsprechend die Ausstellung, bei der die Besucher selbst auch tätig werden dürfen. Im vergangenen Jahr hat der Brite Alistair Hudson die Leitung des ZKM Karlsruhe übernommen und versprochen, das Erbe des langjährigen Direktors Peter Weibel zu pflegen, aber auch eigene Akzente zu setzen. Und die sind unübersehbar besucherfreundlich. Statt der üblichen Überfülle setzt die erste Schau unter Hudson auf Konzentration und Teilhabe: Es geht um drei Begegnungen zwischen Menschen und Maschinen.

Und diese Maschinen sind emsig am Schuften. Die Karlsruher Künstlergruppe Robotlab hat zwei Industrieroboter mit blauem Kies gefüttert, mit dem die Roboter nun kunstvoll auf Fließbänder Sätze schreiben, die man aber nie ganz lesen kann. „Eine Veräußerlichung des Wesens“ steht da oder „Vorstellungen sind sinnlos“. Grundlage sind theoretische Texte rund um Roboter, auf die die Besucher Einfluss nehmen können, indem sie die Sätze vorher mit Sternchen bewerten. Sind sie intelligent? Humorvoll?

Eine Übung mit Lerneffekt. Denn letztlich sind es wir alle, die die KI trainieren und deshalb auch weniger sorglos bei Onlineumfragen Punkte oder Bewertungen für dieses oder jenes verteilen sollten. Jeder gelangweilte Klick schafft Realität. Deshalb ist auch nicht die KI gefährlich, sondern sind es immer die Menschen, die sie nutzen oder missbrauchen.

Das Verhältnis zur Maschine ist oft kritisch

Es geht in der Ausstellung also um das eigene Verhältnis zur Maschine. Ihr misstrauen viele, wenn im Museum aber Kunst erklärt wird, ist das in der Regel als verbindliche und objektive Wahrheit formuliert und wird vom Publikum deshalb nicht hinterfragt. Das sollte man aber, lehren die kryptischen Pasta-Kunstkommentare. Das Projekt wurde im ZKM selbst ersonnen, im „Hertzlab“, der Zukunftsabteilung, die eigene Werke entwickelt. Die Texte, die die KI zu einer Auswahl an Kunstwerken aus der Sammlung generiert, sind auf die Vorlieben der Besucher abgestimmt, was man durchaus symbolisch für den Neustart im ZKM lesen darf: Alistair Hudson und sein Team beanspruchen nicht mehr die Deutungshoheit und wollen auch nicht Wissen weiterreichen, sondern gemeinsam voneinander lernen.

Für Anne Duk Hee Jordan gehört dazu, auch von den neuen Technologien zu lernen – statt sie nur einzusetzen, um noch effizienter zu werden. Sie hat einen poetischen Erlebnisraum geschaffen, bei dem man in Projektionen der Erde eintaucht – vom Wasser übers Gebirge bis hoch hinauf in die Wolken, wobei sich reale und digitale Bilder mischen. Ein sinnliches Erlebnis. Die Künstlerin hofft sogar, dass mit diesen hybriden Welten motivieren kann, sich vom binären Denken zu lösen und sich als Mensch nicht immer als Mittelpunkt der Dinge zu begreifen.

(A)I Tell You, You Tell Me. ZKM Karlsruhe, bis 24. November, geöffnet Mi bis Fr 10 bis 18 Uhr, Sa, So 11 bis 18 Uhr