James Bowen hat einmal von Sozialhilfe gelebt. Dann traf der Londoner Straßenmusikant Bob, den Kater. Seither treten die beiden gemeinsam auf, und zwar sehr erfolgreich. Ihre rührende Geschichte ist als Buch erschienen. Auch Hollywood hat Interesse.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Die Briten lieben schöne Aschenputtelgeschichten. Vielleicht weil es auf der Insel so viele Aschenputtel gibt. Hier klafft zwischen lumpigen Existenzen und dem verschwenderischen Leben in Palästen ein so großer Graben, dass auch die Einheimischen selbst immer wieder schockiert sind. Umso mehr hängt die Volksseele am Märchen vom Habenichts, der auszieht, um sein Glück zu machen und es auch findet und dem sich die Palasttore öffnen. Ein wärmendes Märchen für alle also, die es (noch) nicht vom Bettler zum Millionär geschafft haben, die aber die Hoffnung nicht aufgeben möchten.

 

Die Geschichte vom Londoner Stadtmusikanten James Bowen und seinem Kater Bob ist so ein Märchen. Es führt von einer Sozialwohnung in Tottenham zu Bestsellerruhm und möglicherweise schon bald nach Hollywood. Denn wo anders als in Hollywood kann eine solche Geschichte enden? Begonnen hat sie vor fünf Jahren, als dem Ex-Junkie James in seiner kleinen Bude im Norden Londons eine verletzte Katze zulief. Das Tier war, vielleicht von einem Fuchs, böse zugerichtet worden. James Bowen tat es leid. Als er in der Nachbarschaft keinen Besitzer auftreiben konnte, suchte er beim Tierschutzbund Hilfe. In der Klinik der Organisation in Finsbury Park bekam Bowen für 28 Pfund ein Antibiotikum ausgehändigt. Das war damals mehr als ein Tagesverdienst für den Katzenretter. Der versuchte sich als Straßenmusikant mit seiner Klampfe über Wasser zu halten und von den Drogen loszukommen.

James und Bob führen auch Kunststückchen auf

Der Kater war jedenfalls nach ein paar Wochen wieder gesund. Doch er weigerte sich beharrlich, sein neues Heim gegen das alte Streunerdasein einzutauschen. Er blieb bei James. James taufte ihn Bob. Bald folgte Bob James, als der „zur Arbeit“ ging, die Straße hinunter. Und als James einmal in einen Bus der Linie 73 stieg, hopste auch Bob hinein. Von da an waren beide, wie es sich für so eine Geschichte gehört, unzertrennlich. James spielte und sang vor der U-Bahn-Station Angel seine Lieder. Bob lag auf seiner Decke und hörte zu. Passanten fanden das rührend oder witzig. Die Einnahmen des Duos mehrten sich.

Mit kleinen Gags – einem herzhaften High five, Hand gegen Pfote – eroberten James und Bob viele Großstadtherzen. Fans schleppten Katzenfutter, Spielzeug und gestrickte kleine Schals für den Kater herbei. Auch Häkeldecken in Katzen- oder Mausform wurden übergeben. Zu Weihnachten brachte jemand einen Ministrumpf mit Katzen-Knabbersachen. Bald waren James und Bob Thema von Berichten in der örtlichen Presse. Von Picadilly Circus bis Covent Garden stießen die beiden auf ein amüsiertes Publikum.

Erst Youtube-Videos, dann eine Facebook-Seite und ein Buch

Dann ging alles sehr schnell. Touristenvideos erschienen auf Youtube. Eine Fangruppe namens Street Cats formierte sich. Bob erhielt eine Facebook-Seite. Seinen Twittereien folgen bereits mehr als 17 000 zweibeinige Anhänger. Im März brachte James Bowen seine und Bobs Geschichte als Buch heraus. „A Street Cat named Bob“, auch als Taschenbuch erhältlich, ist inzwischen in 18 Sprachen erschienen. Eine Viertelmillion Exemplare hat Bowen in acht Monaten verkauft. Das Buch steht weit oben in den britischen Bestsellerlisten. Ein Fortsetzungsband und eine Kinderbuch-Ausgabe sind geplant.

Auch die Filmindustrie hat ihre Fühler ausgestreckt. Bob wäre schließlich nicht das erste Tier, das auf der Leinwand groß herauskäme. Und James vormaliges Leben würde einiges an Staffage abgeben – mit den Familienkrisen, ruhelosen Jahren in Australien, seiner Straßenmusik, dem Vagabundentum, dem Heroin.

Die Sucht glaubt James Bowen jetzt für immer überwunden zu haben: „Kein Weg führt mehr dahin zurück“, schreibt er. Vor allem Bob habe er dafür zu danken. Wenn die Geschichte es nach Hollywood schafft, können die beiden vielleicht eine Wohnung in London kaufen und ein „normales Leben“ anfangen. Er selbst, sagt James, würde gern für eine karitative Organisation arbeiten. Wenn das kein würdiges Ende für eine Aschenputtel-Story wäre.