Im Jahr der Orden wollen die 150 katholischen Ordensleute, die in Stuttgart leben, sichtbar werden. Der Überalterung begegnen sie mit Zuversicht, denn noch gibt es Nachwuchs.

Stuttgart - Ein Kreuz für das Foto will Pater Ernst Kusterer nicht in die Hand nehmen. „Wir sind nicht so fromm“, scherzt der Stuttgarter Ordensmann. Ernst Kusterer dürfte der bekannteste Ordensmann in Stuttgart sein, zumindest unter Jugendlichen. Als Big Pater gibt er ihnen seit Jahren sonntagnachts Ratschläge im Radio, zu Gesicht bekommt man den nicht nur wegen seiner Leibesfülle beeindruckenden Pater als Prediger in St. Eberhard. Sucht man nach der bekanntesten Ordensfrau in Stuttgart, landet man bei Schwester Margret, die in der Franziskusstube unter der Paulinenbrücke seit Jahrzehnten Obdachlose zum Frühstück empfängt – und sich zu Wort meldet, wenn in der Sozialpolitik aus ihrer Sicht etwas schief läuft.

 

„Die Orden sterben nicht aus“

Die meisten Ordensleute in Stuttgart wirken stiller als Kusterer und Schwester Margret. Etwa 130 Ordensfrauen und 20 Ordensmänner leben in der Landeshauptstadt, die genaue Zahl weiß keiner, weil immer wieder neue Schwestern und Brüder von den jeweiligen Mutterhäusern entsandt, aber auch wieder zurückgerufen werden. Zu finden sind sie in der Kranken-und Altenpflege, der Gemeindearbeit, der Obdachlosenhilfe und in der Jugendarbeit. In diesem Jahr wollen die Ordensleute stärker ins Rampenlicht treten als sonst. Papst Franziskus hat 2015 zum Jahr der Orden erklärt. Der Salesianer Kusterer, die Vinzentinerin Nicola Maria Schmitt und die Franziskanerin Marietta Janicek haben daraufhin eine kleine Veranstaltungsreihe geplant, die zeigen soll, wie vielfältig das Ordensleben auch in Stuttgart ist. „Viele Menschen denken, die Orden sterben aus. Das ist ein falsches Bild“, sagt Kusterer.

Dass es Nachwuchs gibt, zeigt Dorothea Piorkowski in ihrer unscheinbaren Ordenstracht. Die 29-Jährige ist die Zweitjüngste bei den Vinzentinerinnen von Untermarchtal, wo sie gerade ihr Gelübde abgelegt hat. „Ich habe mir den Lebensweg nicht selbst ausgesucht, ich bin gerufen worden“, sagt Piorkowski, die in einem Konvent im Haus der katholischen Kirche lebt und die tiefe Spiritualität schätzt. Was sie damit meint, sind die gemeinsamen Stundengebete, die Anbetungsnächte einmal im Monat, die Gottesdienste, das Leben in der Gemeinschaft. Im September beginnt die 29-Jährige ihre Ausbildung zur Pastoralreferentin, um später in einer Gemeinde zu arbeiten. „Wir sind nah bei den Menschen, auch das ist Teil des Ordenslebens.“

Indische Ordensschwester leitet Pflegeheim

Menschen wie Dorothea Piorkowski sind aber nur eine Seite, die Überalterung in vielen Ordensgemeinschaften die andere. So denkt der 71 Jahre alte Kusterer daran, sich im nächsten Jahr aus der Jugendarbeit in Stuttgart zu verabschieden und zur Ruhe zu setzen. „In Europa leiden die meisten Orden an Überalterung und verlieren an Mitgliedern, weltweit aber legen sie zu“, erzählt der Pater. Diese Entwicklung spiegelt sich in Stuttgart, wo sich in den vergangenen Jahren immer mehr ausländische Orden angesiedelt haben.