Rund 100.000 Menschen haben in Havanna den Papst bei seiner Messe auf dem Platz der Revolution umjubelt. Franziskus gilt als Hoffnungsträger.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Havanna - Es ist noch tiefe Nacht, als sich Carmen Borges und ihr Mann Rolando auf den Weg zu Jorge Bergoglio machen. Gemeinsam mit Nachbarn aus dem Ort Vega in der Provinz Nueva Paz besteigen die beiden Pensionäre um ein Uhr den Bus nach Havanna. Kein Schlaf, drei Stunden Fahrt für die 80 Kilometer bis zum Revolutionsplatz. „So oft kommt der Papst ja nicht“, sagt Carmen. In 17 Jahren ist das der dritte Pontifex, der auf die Insel kommt, und die Familie war immer dabei.

 

Kuba braucht eine aufmunternde Botschaft, hier sind viele Werte verloren gegangen“, klagt Carmen. Familie Borges ist schon ihr Leben lang katholisch. „Das sind die Werte, die wir vertreten.“ Sie zeigen es mit Papstaufklebern und einem Plakat von Franziskus. Noch vor Sonnenaufgang gleicht der Revolutionsplatz einem großen Nachtlager. Manche ruhen auf dem nackten Boden, andere haben eine Decke ausgebreitet. Viele schlafen noch, als Franziskus um kurz nach 8 Uhr im offenen Papa-Mobil den Platz erreicht. Eine Stunde vor Beginn der lang ersehnten Messe sind noch viele Plätze frei auf dem riesigen Gelände, auf das bis zu 800 000 Menschen passen – am Ende sind es mehr als 100 000 Gläubige, die zur Papst-Messe kommen..

Viele Kinder und junge Leute sind darunter. Das Oberhaupt der Katholischen Kirche wird von der Bevölkerung der Insel als Hoffnungsträger gesehen. Dieser Sonntag ist der zweite und wichtigste Tag der viertägigen Reise des Papstes auf Kuba. Mit Spannung wurde die Messe erwartet. Aber seine Kritik an Kuba und der Regierung fiel zahm und verklausuliert aus. Franziskus greift die Cliquenwirtschaft an. Mancher missbrauche den Dienst für die Gesellschaft, um die eigenen Leute zu begünstigen. Er wendet sich gegen Ideologien, man dürfe „nicht Ideen, sondern den Menschen dienen“, sagt der Pontifex. Am Vortag nach seiner Ankunft in Kuba hatte Franziskus bereits mehr religiöse Freiheit in dem kommunistischen Karibikstaat eingefordert. Die Kirche wolle das kubanische Volk mit seinen Hoffnungen und seinen Sorgen begleiten, „in Freiheit und mit allen notwendigen Mitteln und Freiräumen“, betonte der 78-Jährige.

Er mahnt eine Versöhnung in Kolumbien an

In seiner Predigt in Havanna geht er auf einen südamerikanischen Krisenherd ein, warnt vor einem Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und den Farc-Rebellen. „Möge das Blut Tausender Unschuldiger, das während so vieler Jahrzehnte des bewaffneten Konflikts vergossen wurde (...) alle Anstrengungen unterstützen, die nun unternommen werden für eine endgültige Versöhnung.“ Für Sonntag war noch ein Treffen des Papstes mit der kubanischen Jugend geplant und eine kurze Begegnung mit Revolutionsführer Fidel Castro.

Der brasilianische Dominikanermönch Frei Betto, Linksintellektueller und großer Freund von Revolutionsführer Fidel Castro, bezeichnete das Oberhaupt der Katholiken kurz vor seiner Ankunft in Havanna als einen fortschrittlichen Papst. In seinem bisherigen Pontifikat habe Franziskus sich die Ideen der lange geächteten Befreiungstheologie zu Eigen gemacht. Man sehe das an seinem Einsatz für die Umwelt, seine Sorge um die Flüchtlinge in Europa und am Eintreten für die Belange der Palästinenser, betonte Frei Betto: „Dies ist ein Papst, der alle Tabus bricht.“ Man solle sich auf überraschende Aussagen von ihm während seiner Visite auf der Karibikinsel gefasst machen. Auf diese wird aber vermutlich die kubanische Opposition nicht hoffen können. Ein Treffen des Argentiniers mit den politischen Dissidenten auf der Insel ist nicht geplant. In seiner Begrüßungsrede am Flughafen richtete der Papst einen Gruß an all jene, „die ich aus verschiedenen Gründen nicht werde treffen können“.

Die Opposition erhält eine Abfuhr

Dies wurde allgemein als eine Absage an die Opposition im Land verstanden, die auf ein Treffen oder wenigstens eine Geste hoffte. „Das ist sehr bedauerlich“, sagte Antonio Rodiles, Direktor von „Estado de SATS“, einer oppositionellen Plattform. Seit der Annäherung an die USA im vergangenen Jahr habe sich niemand der vielen Staatsoberhäupter oder Persönlichkeiten, die Kuba seither besucht hätten, mit den Gegnern der Regierung treffen wollen, betonte Rodiles. Der Pontifex hält sich bis Dienstag in Kuba auf und wird nach Havanna noch Holguín und Santiago im Osten der Insel besuchen. Anschließend fliegt er weiter in die USA. Selten war der Besuch eines Papstes so überfrachtet mit Erwartungen wie dieser. „Franziskus ist der Papst der Armen“, sagt zum Beispiel Julio Alonso, ein pensionierter Lehrer: „Es gibt kein ärmeres und bedürftigeres Volk als die Kubaner.“