Nur: das alte Rom bestand fort; der Papst zog nicht nach Konstantinopel, und so erhob sich eine weitere, die im ökumenischen Dialog noch heute am meisten umstrittene   Frage: Wer hat das Sagen in der Kirche, und wie weit reicht dieser Primat? Unter dem Ansturm der „barbarischen“ Goten zerfiel das politische Altrom 476, während sich Konstantinopel bis zum eigenen Zerfall unter den Osmanen 1453 als legitime Hüterin des Erbes betrachtete; entsprechend sah sich die östliche Christenheit als „ortho-dox“ an, das heißt: als einzige bei der „rechten Lehre“ geblieben; die Lateiner, so sagten Kirchenmänner in Konstantinopel, seien ja nicht mal sprachlich in der Lage, theologische Feinheiten sauber zu formulieren. Und dann habe sich der Papst auch noch dazu hergegeben, die gute alte Weltordnung als „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“ an die Kulturbanausen von nördlich der Alpen zu verticken, während der wahre römische Kaiser doch in Byzanz saß...

 

Kurz: es kam zum Bruch. 1054 legten päpstliche Gesandte eine Bannbulle gegen den Patriarchen von Konstantinopel auf dem Altar der Hagia Sophia ab; auf ihrer Rückreise nach Rom flog ihnen der Bannspruch des Patriarchen gegen den Papst hinterher. Das war die große Kirchenspaltung zwischen Lateinern   und Griechen, das „Morgenländische Schisma“. Man entwickelte sich auseinander, und die zivilisatorische Großkatastrophe von 1204, als päpstliche Kreuzfahrer im Dienste des schnöden venezianischen Mammons das edle Konstantinopel verheerten, gab der Sache den Rest.