Der Rewe-Konzern will Reiseanbietern wie dem Branchenprimus Tui und Thomas Cook verstärkt Konkurrenz machen. Die Kölner übernehmen das europäische Geschäft der Schweizer Firma Kuoni.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Der Marktführer Tui, die arabische Fluglinie Emirates, der Handelskonzern Migros – die Reisebranche spekulierte über viele mögliche Käufer. Seit der führende Schweizer Reisekonzern Kuoni zu Jahresanfang ankündigte, das verlustreiche Geschäft mit Pauschalreisen komplett abstoßen zu wollen, soll sich eine ganze Reihe von Interessenten in der Züricher Zentrale gemeldet haben. Schließlich zählt Kuoni trotz aller Krisen, die der mehr als 100 Jahre alte Konzern in letzter Zeit erlebte, zu den angesehenen Markennamen in Europa. Den Zuschlag für die Veranstalter, Reisebüros, Onlineanbieter, den kleinen skandinavischen Ferienflieger Novair sowie die Hotelanlage  Playitas auf Fuerteventura hat nun der zweitgrößte deutsche Reisekonzern erhalten, die Rewe-Tochter DER Touristik in Frankfurt, zu der folgende Marken gehören: ITS, Jahn-Reisen, Dertour, Meier’s Weltreisen, ADAC-Reisen. Am Wochenende wurden die Kaufverträge in Zürich unterzeichnet. Die Kartellbehörden in Brüssel und der Schweiz müssen dem Handel noch zustimmen.

 

  Für Alain Caparros, den Vorstandschef der genossenschaftlichen Rewe Group, ist der Kauf des europäischen Veranstaltergeschäfts von Kuoni ein großer Schritt: „Diese Übernahme bringt uns in der europäischen Touristik entscheidend voran.“ Mit rund zwei Milliarden Euro Umsatz und 1,5 Millionen Gästen zählen die Schweizer nach Tui, Thomas Cook und Rewe zu den größten Anbietern von Pauschalreisen in Europa. Die DER Touristik baut durch den Kauf ihren Umsatz auf sieben Milliarden Euro aus und vergrößert ihre Kundenzahl auf 7,7 Millionen. Die Rewe-Tourismussparte liegt damit aber noch weit hinter Tui: Das Hannoveraner Unternehmen hatte im Geschäftsjahr 2013/2014 knapp 19 Milliarden Euro umgesetzt.

Zu Kaufpreis und Details sagen beide Seiten nichts. In der Branche geht man davon aus, dass Rewe nicht mehr als 100 Millionen Euro für die Veranstalter und Reisebüros in der Schweiz, Großbritannien, Skandinavien und Benelux gezahlt hat. Kuoni hat sich als traditionsreiches Markenunternehmen vor allem bei hochwertigen Reisen einen Namen gemacht. Allein in der Schweiz und Großbritannien übernimmt Rewe 15 Spezialanbieter. Darunter sind der britische Veranstalter Kirker, der luxuriöse Städtereisen verkauft, und der Schweizer Tauchreisen-Experte Manta. In Benelux übernimmt Rewe drei Online-Veranstalter für Fernreisen.

Die Konzentration auf dem Reisemarkt nimmt zu

DER Touristik ist nach eigenen Angaben Nummer zwei unter den deutschen Anbietern. Vorstandschef Sören Hartmann sieht den Kauf als wichtigen Beitrag zu profitablem Wachstum. Im Massengeschäft mit Badeurlaub rund ums Mittelmeer soll die Übernahme Wettbewerbsvorteile beim Einkauf von Hotel- und Flugkapazitäten bringen. Zudem hofft man auf Kostenvorteile durch Nutzung gemeinsamer IT-Systeme sowie die gemeinsame Betreuung von Gästen in 179 Reiseländern. Insgesamt übernimmt DER Touristik 2350 Mitarbeiter von Kuoni. Stellenabbau soll kein vorrangiges Thema sein, im Vordergrund stünden Wachstumsperspektiven, heißt es.

Mit der Übernahme setzt sich die Konzentration auf dem Reisemarkt fort. Zu Jahresbeginn hatte ein chinesischer Investor die Feriendörfer des französischen Club Méditerranée übernommen. Mit Tui und Thomas Cook, die vor Jahren mit britischen Veranstaltern fusionierten, kontrollieren zwei deutsche Konzerne wesentliche Teile des Geschäfts in Europa mit eigenen Reisebüros, Ferienfliegern und Hotels. Allerdings macht den klassischen Pauschalreise-Veranstaltern die zunehmende Online-Konkurrenz erheblich zu schaffen, weil Reisen immer einfacher per Mausklick oder Smartphone zu buchen sind. Kuoni hat sich deshalb entschieden, nach erheblichen Verlusten aus dem Geschäft mit Pauschalreisen komplett auszusteigen. Stattdessen will Konzernchef Peter Meier die Schweizer als Dienstleister vor allem in Wachstumsmärkten wie Asien und dem Nahen Osten positionieren, unter anderem als Online-Großhändler für Hotelübernachtungen und als Betreiber von 1400 Visumantragsstellen für gut 40 Regierungen in mehr als 100 Ländern. Von diesen Geschäften versprechen sich die Schweizer mehr Profite.

In Italien, Frankreich, Spanien und Russland hat Kuoni das Veranstaltergeschäft bereits aufgegeben. Trotzdem bekam der frühere Konzernchef Peter Rothwell vor zwei Jahren den Laufpass, weil der Umbau länger dauerte als erwartet. Mit dem Verkauf der restlichen Geschäfte in Europa könne man nun die Neuausrichtung schneller umsetzen als geplant, erklärte der Präsident des Verwaltungsrats, Heinz Karrer. Für die Aktivitäten in China und Indien sucht man noch Käufer, hier hatte Rewe offenbar kein Interesse. Mit dem Verkauf muss Kuoni wohl erhebliche Abschreibungen in den Büchern vornehmen. Das Halbjahresergebnis werde mit 180 Millionen Euro belastet, heißt es. Die Übernahme soll im nächsten Quartal abgeschlossen sein.