Auf manchen öffentlichen Plätzen im Land wird exzesshaft Alkohol konsumiert. Die Landesregierung beauftragte Fachleute, darüber nachzudenken, wie dem zu begegnen sei. Sie haben ihre Vorschläge präsentiert, darunter auch Alkoholverbote. Doch die will Grün-Rot nicht. Über längere Sperrzeiten für Lokale wird aber diskutiert.

Stuttgart - Sie sei „bundesweit viel beachtet“ worden, sagten der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der Innenminister Reinhold Gall (SPD). Sie habe „die bislang gründlichste und weitestgehende Untersuchung der Ursachen, Folgen und Einwirkungsmöglichkeiten bei alkoholbedingten Problemlagen im öffentlichen Raum“ angestellt. Und dennoch werden die Empfehlungen dieser auf diese Weise hochgelobten Arbeitsgruppe nur in Teilen umgesetzt. Einer ihrer wesentlichen Vorschläge bleibt außen vor: Kommunen werden nicht die Möglichkeit bekommen, für bestimmte Problemzonen Alkoholkonsumverbote zu erlassen.

 

„Wir schließen es nicht aus,“ sagte Kretschmann, das Thema werde erst mal vertagt. In zwei Jahren könne geprüft werden, „ob es noch nötig ist“ über Verbote zu sprechen. Kretschmann hofft, dass sich eine günstige Entwicklung aus jüngerer Zeit fortsetzt. Demnach sind die mit übermäßigem Alkoholkonsum in Verbindung zu bringenden, meist gewaltorientierten Straftaten rückläufig. Von 2012 auf 2013 habe es eine Entspannung der Lage in den Städten und Gemeinden ergeben. Das sei zwar noch kein Trend, aber doch erfreulich.

Partei- vor Bürgerinteresse?

Mit ihrer positiven Sicht stehen Kretschmann und Gall ziemlich alleine. „Wir sind enttäuscht von dem Nichtergebnis“, sagt etwa Roger Kehle, der Präsident des Gemeindetags nach dem Finale des Runden Tisches, der sich mit dem Problem des vereinzelt ungezügelten Alkoholkonsums in Städten und Gemeinden des Landes auseinandersetzte. Die Kommunen wünschen sich die Möglichkeit, Alkoholkonsumverbote zu erlassen. „Wir brauchen das Instrument, wenn wir nicht immer nur mit Wattebäuschchen werfen wollen“, so Kehle.

Die CDU-Opposition wirft dem Regierungschef und dem Innenminister vor, die Parteininteressen über die der betroffenen Bürger zu stellen. Sowohl Kretschmann als auch Gall haben Alkoholverbote befürwortet. Der eine konnte sich mit seiner Haltung aber nicht bei den Grünen durchsetzen, der andere nicht bei der SPD. „Wenn die Landesregierung Handlungsbedarf sieht und nichts tut, verletzt sie ihre Amtspflichten,“ sagt Thomas Blenke, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion. „Der Ministerpräsident will das aussitzen.“

73 Problemzonen identifiziert

Der Handlungsbedarf scheint offenkundig. 26 Polizeidienststellen im Land fordern, dass Kommunen die Möglichkeit bekommen sollen, Alkoholkonsumverbote zu erlassen. Das geht aus dem Bericht der Arbeitsgruppe hervor. Baden-Württemberg wäre nicht das einzige Bundesland, das den Kommunen diese Möglichkeit einräumt. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern und Thüringen etwa haben das Instrument geschaffen.

Polizei und Kommunen haben insgesamt 73 Problemzonen im Land identifiziert, wo sich unterschiedlichste Gruppen zwischen fünf und 1200 Personen immer wieder unheilvoll versammeln. Angesichts dieser Vielfalt eigne sich das Instrument des Alkoholverbots nur für eine Zahl von Örtlichkeiten „im unteren zweistelligen Bereich“, glaubt die Arbeitsgruppe. Bei den anderen müssten die sieben anderen Vorschläge der Fachleute wirken. Das sind etwa verstärkte Polizeipräsenz, das konsequente Durchsetzen des Alkoholverkaufsverbots bei Nacht oder das Anstoßen einer Diskussion über eine Verteuerung alkoholischer Getränke.

Kurze Sperrzeiten fördern Konsum

Ein weiterer Vorschlag, den Gall und Kretschmann auch in die politische Diskussion mitnehmen wollen, ist eine Änderung des Gaststättenrechts. Es war von Schwarz-Gelb zum 1. Januar 2010 geändert, die Sperrzeiten verkürzt worden – auf 3 bis 6 Uhr unter der Woche und 5 bis 6 Uhr an Samstagen und Sonntagen. Auch das habe den Alkoholkonsum befördert, sagen die Fachleute. Für die Kommunen ist es aber nicht einfach, rechtssicher auf eigene Faust die Sperrzeiten gezielt zu verlängern. Deshalb wird sich die Landespolitik wenigstens damit demnächst wohl beschäftigen.