Die Amerikanische Kermesbeere ist aus Nordamerika eingewandert. Mit ihren wuchernden Wurzeln bedrängt sie in den Wäldern heimische Arten. Jetzt suchen Wissenschaftler nach einem Abwehrkonzept.

Schwetzingen - Gunter Glasbrenner weiß noch genau, wann sie ihm zum ersten Mal begegnet ist, die Amerikanische Kermesbeere. Im Sommer 1993 hat der Walldorfer Förster die Pflanze mit den schwarz-roten Beeren und dem lustig klingenden Namen in seinem Revier in Sandhausen (Rhein-Neckar-Kreis) entdeckt. „Die hatte ich nie vorher gesehen; ich musste in Fachbüchern nachschlagen, wie sie heißt und was es mit ihr auf sich hat“, erzählt er. Gut 20 Jahre sind seither vergangen – und mittlerweile ist der Neuzugang aus Nordamerika längst Dauergast im Hardtwald zwischen Walldorf und Schwetzingen. „Sie hat sich wahnsinnig vermehrt, wir haben Abertausende davon, sie wächst überall, wo ein bisschen Licht hinkommt“, sagt der Revierförster. „Auf 20 Prozent der Fläche steht sie inzwischen so dicht, dass sie andere Arten ernsthaft bedroht. Wenn wir nichts machen, ist bald alles zu.“

 

Deshalb hat das Forstamt des Rhein-Neckar-Kreises 2014 Wissenschaftler zu Hilfe gerufen. Mitarbeiter der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg sollen ein Konzept entwickeln, mit dem man der Gefahr begegnen kann. Nach Angaben von Projektleiter Mattias Rupp ist die Amerikanische Kermesbeere im nördlichen Oberrheintal schon länger auf dem Vormarsch. Bis zu 2,5 Meter kann die Pflanze hoch werden, und sie sei so wuchsstark, „dass sie deutlich schneller wächst als alles um sie herum und alles andere unter ihr schlicht vertrocknet. Ob Keimlinge von Buchen, Eichen, oder Weißdorn – da tun sich alle anderen Pflanzen schwer“, sagt der Biologe.

Die Kermesbeere nimmt den anderen Pflanzen das Licht

Dabei hat das Regierungspräsidium Freiburg erst vor zwei Jahren in der Schwetzinger Hardt auf 3500 Hektar das erste große zusammenhängende Wald- und Erholungsgebiet im Land ausgewiesen. Besonders gefördert werden soll dort unter anderem der lichte Kieferwald, der auch dem dekorativen aber stark rückläufigen Weißmoos eine Heimat bietet. „Doch Kiefersamen keimen nur mit sehr viel Licht“, erläutert Glasbrenner. „Das heißt, wenn wir hier die natürliche Verjüngung des Waldes aufrecht erhalten wollen, wäre es katastrophal, wenn die Kermesbeere flächig wächst.“

Seit Sommer vorigen Jahres sind Wissenschaftler und Arbeiter im Hardtwald auf einer Fläche von 20 Hektar aktiv, um neue Erkenntnisse zu sammeln und ein Konzept zu entwickeln, wie man dem Neuzugang aus Nordamerika Paroli bieten kann. Allem Anschein nach wird es keine einfache Lösung geben. Vielmehr muss man die Stauden alle einzeln entfernen. Mit etwas Glück kann man sie nach den bisherigen Erfahrungen im Frühsommer, wenn es feucht ist und die Wurzeln noch jung sind, einzeln ausreißen. Meist aber muss man sie mit Spaten und Gabel ausgraben, ehe die Pflanze neuen Samen bildet. „Das ist eine sehr, sehr mühselige Arbeit“, sagt Glasbrenner. Die kräftige, rübenartige Herzwurzel der Pflanze kann, zusammen mit seitlichen Zugwurzeln, bis zu einen Meter tief in den Boden wachsen; dazu kommen noch horizontale Ausläufer. Die können, wie Rupp gemessen hat, sogar bis zu vier Meter Länge erreichen. Zwar stirbt das Kraut der Pflanze im Herbst ab, doch die Wurzel wird anschließend nur noch stärker und treibt, wenn man sie im Boden lässt, im nächsten Frühjahr noch größer aus, um wieder neue Samen zu bilden. Zudem ist es mit dem Ausgraben allein nicht getan. Um zu verhindern, dass Samen im Wald bleiben oder später über den Kompost verbreitet werden, können die Pflanzen auch nicht einfach als Grünschnitt entsorgt werden. Sie müssen auf Planen gesammelt und anschließend verbrannt werden.

Nach drei Jahren sollen die Samen erschöpft sein

Dreimal waren Arbeiter und Wissenschaftler seit 2014 im Sommer und Herbst bisher je zwei Wochen auf Großeinsatz. „Das ist ein echter Kampf, das kann man nur an wenigen Stellen machen, um seltene Arten zu schützen“, sagt Glasbrenner. Drei Jahre sollten aber reichen, meint er: „Dann müssten alle noch im Boden lagernden Samen erschöpft sein“.