Neben Gewerbegebieten westlich von Rommelshausen leben Rebhühner. Das erschwert für die Gemeinde die geplante Erweiterung.

Kernen-Rommelshausen - Beim Blick durchs starke Fernrohr kommt sich der Beobachter wie ein glücklicher Forscher vor, der eine noch nie gesehene Art beobachtet. Rebhühner sind sehr selten geworden. Die Suche nach ihnen gleicht einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen, sagt der Biologie Michael Eick aus Fellbach. Vielleicht werden sich künftige Generationen von örtlichen Naturschützern aber einmal an den gestrigen Tag wegen eines besonderen Ereignisses erinnern. Erstmals sind am Ortsrand von Rommelshausen streng geschützte Rebhühner in Anwesenheit von Pressevertretern, gewissermaßen also beobachtet von der Öffentlichkeit, gesichtet worden.

 

Schwere Hypothek für ein Baugebiet

Für das nahe gelegene Gebiet Lange Äcker III, das bebaut werden soll, ist die überraschende Entdeckung des vom Bund für Umwelt und Naturschutz in Kernen beauftragten Vogelkundlers Michael Eick eine schwere Hypothek. Eine mögliche Erweiterung der Gewerbegebiete nach Westen dürfte in Zukunft sogar schwierig bis unmöglich werden. Sie würde den Lebensraum einer vom Aussterben bedrohten Art zerstören.

Das Pärchen im Fernrohr ist sich seiner kommunalpolitischen Bedeutung nicht bewusst. Es ist scheu. Rebhühner nutzen jede Deckung, und ihr Gefieder tarnt sie auf den Feldern hervorragend. Die beiden liegen vorsichtig zwischen den Stoppeln eines abgeernteten Maisackers, etwa 30 Meter vom Feldweg entfernt, westlich der Weinkellerei Kern. Das bloße Auge sieht vom fast perfekt an seine Umgebung angepassten Pärchen nur einen kleinen braunen Fleck.

Das erfahrene Auge des Biologien Michael Eick aber, der seit 20 Jahren Rebhuhn-Populationen kartiert, hat nach einiger Mühe die etwa taubengroßen Vögel zuerst im Feldstecher entdeckt und zoomt sie dann im starken Fernrohr heran: Ein Männchen mit dem typischen orangefarbenen Hals wacht auf mögliche Feinde, das Weibchen sucht Nahrung. Nach etwa 10 Minuten ein Rollenwechsel: Nun hält das Weibchen Wache, das Männchen frisst.

Fotos weisen eine kleine Population nach

Im Moment befinden sich die Tiere zwar etwa 50 bis 100 Meter außerhalb des geplanten Baugebiets Lange Äcker III, doch Michael Eick zeigt weitere Fotos: Eine kleine Gruppe aus sieben Rebhühnern sitzt nachts kaum erkennbar auf einem Acker gegenüber dem Anwesen Mutschler – mitten im geplanten Gewerbegebiet Lange Äcker III. Sie finden sich gar auf einem Foto von der anderen Seite der Kellerei, wo sich ein bereits baureifes Gelände in den Langen Äckern II befindet. Büsche und Altgras bilden dort einer Gruppe dichten Sichtschutz. Von einem Hund aufgescheucht sind sie in diese Richtung geflüchtet.

Die ersten Beobachtungen zeigen: Die extrem standorttreuen und nur auf kurze Strecken flugfähigen Vögel leben in einem Revier, das durch die geplanten Gewerbeanwesen stark eingeschränkt würde. Einfach umsiedeln lassen sich die Rebhühner nicht. Ihnen einen Teil ihres Lebensraums zu nehmen, kann das Ende der womöglich letzten Rebhühner Rommelshausens bedeuten. „Die Gemeinde Kernen muss sich damit auseinandersetzen“, sagt Michael Eick. Der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz in Kernen, Martin Schröter, wird deutlicher: „Wenn das Rebhuhn dort vorkommt, ist ein Baugebiet nur schwer vorstellbar.“ Schröter beruft sich auf die Naturschutzgesetze: Der Artenschutz sei ein „nicht wegwägbares Kriterium“, er ist nicht durch andere Argumente gewissermaßen zu überstimmen.

Je nach Vielfalt – die Rebhühner benötigen Nahrung, dichte Versteckplätze, trockene und warme, ebenfalls gut versteckte Brutplätze – ist die Fläche größer oder kleiner, die sie beanspruchen. Sie schwankt sehr stark um etwa 10 Hektar pro Brutpaar. Die in Resten noch bestehende Kleinteiligkeit im Schmidener Feld mit Graswegen, Kleingärten, Brachflächen, Wintergetreide und Gemüseanbau kann einen Lebensraum bieten. Vielleicht ist dort dennoch nur dem einen an diesem Vormittag noch entdeckten Rebhuhnpaar genug Raum geblieben, vermutet Michael Eick. Die zuvor fotografierte Gruppe mit sieben Rebhühnern enthielt aber drei Hennen, sodass bis zu drei Brutpaare möglich sind.

Forderung an Gemeinde nach einem Artenschutzkonzept

Martin Schröter fordert die Gemeindeverwaltung auf, noch in diesem Jahr ein Artenschutzkonzept zu erstellen. „Das geht nicht an einem Vormittag“, sagt Michael Eick. Es bedeutet, Äcker aus der Bewirtschaftung zu nehmen und Blütenstreifen anzulegen, aber nicht entlang der Feldwege, wo sich die Tiere bedroht fühlen.