Die Pläne der Bundesregierung zur Bekämpfung von Kinderpornografie und Cybermobbing stoßen auf Kritik. Straffrei bleiben sollen nur Nacktbilder von „familiären Alltagssituationen“, solange sie im „familiären Bereich verbleiben“.

Stuttgart - Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy bewirkt eine massive Änderung des deutschen Strafrechts. Weil bei Edathy zunächst nur Fotos von nackten Jugendlichen gefunden worden waren, die nicht strafbar waren, sieht sich die Bundesregierung jetzt veranlasst, das Sexualstrafrecht erneut zu verschärfen.

 

Bereits bisher gibt es keinen Bereich des Strafrechts, in dem die Strafbarkeit so weit vorverlagert worden ist wie bei der Kinder- und Jugendpornografie. Erklärtes Ziel des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ist es, künftig jede „unbefugte“ Nacktaufnahme von Kindern und Jugendlichen unter Strafe zu stellen. Weil viele dieser Aufnahmen mit Pornografie nichts zu tun haben, regelt sie diesen Sachverhalt nicht bei den einschlägigen Paragrafen, sondern bei einer Gesetzesvorschrift, die bisher die „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs“, insbesondere die Wohnungen, schützte. Strafbar werden soll deshalb nicht nur das Anfertigen von Nacktaufnahmen von Kindern, sondern auch von Erwachsenen. Deren Rechte waren schon bisher gut über das Kunsturheberrecht, aber eben nicht durch das Strafrecht geschützt.

Auch die Pressefreiheit ist berührt

Straffrei bleiben sollen nur Nacktbilder von „familiären Alltagssituationen“, solange sie im „familiären Bereich verbleiben“. Was dies praktisch bedeutet, machen Rechtsexperten deutlich: Aufnahmen von nackten spielenden Kindern am Strand oder bei Geburtstagsfeiern wären nur noch möglich, wenn zuvor alle Eltern zugestimmt haben. Aber selbst das wäre zweifelhaft, weil Eltern wirksam nur zustimmen können sollen, wenn die Bilder im familiären Kreis bleiben, was bei Feiern mit Gästen gerade nicht der Fall ist.

Strafbar soll auch jede „unbefugte“ Verbreitung oder Weitergabe von Fotos mit nackten Personen sein. Befugt ist eine solche Weitergabe normalerweise nur, wenn die Abgebildeten zugestimmt haben. Das Justizministerium verweist zwar auf die Pressefreiheit, die nicht eingeschränkt werden solle. Zumindest zweifelhaft aber ist, ob beispielsweise das berühmte Foto aus dem Vietnamkrieg, das ein nacktes Mädchen auf der Flucht von den Napalmbomben der US-Armee zeigt, künftig noch gezeigt werden darf. Und auf die Pressefreiheit berufen kann sich kein Privatmann, der ein Buch mit diesem Foto weitergibt.

Der Anwaltsverein nennt die Pläne unverhältnismäßig

Der Deutsche Anwaltsverein kritisierte die Pläne als unverhältnismäßig. Nicht jedes geschmacklose und ethisch bedenkliche Verhalten dürfe bestraft werden. Der Gesetzentwurf stößt offenbar auch auf Widerspruch im Justizministerium selbst. „Spiegel-online“ zitiert einen ungenannten Ministerialen. „Wir schaffen gerade den Tätertyp des Mörders ab“, sagte der Beamte mit Verweis auf ein anderes Reformprojekt des Hauses, „und führen einen neuen Tätertyp des Pädophilen ein“.

Die Grünen kritisieren, die Verschärfungen gingen „weit über das erforderliche Maß hinaus“. Auch ein Bündnis von acht Medienverbänden und -unternehmen warnt vor dem Gesetz. Es schränke die Tätigkeit von Fotoreportern ein und provoziere eine Klageflut gegen Bildberichte, sagen die Vertreter der Verleger, der Journalisten und der großen Fernsehsender. Eine Gruppe von Missbrauchsopfern am Bonner Aloisiuskolleg begrüßte dagegen die Verlängerung der Verjährungsfristen.