Der Pensionär Andreas Keller nutzt das Internet, um die Neugier an Kirchen zu wecken. Sein Wissen über die verschiedensten Gotteshäuser trägt er, garniert mit Fotos, dort zusammen.

S-West - Andreas Keller katalogisiert Kirchen in Stuttgart, der Region und weit darüber hinaus. Keller ist kein Theologe, kein Kirchenbauer und kein Missionar. Der 69-Jährige ist fasziniert von Kirchen, deren Geschichte und den mal großen, aber mal auch kleinen und feinen Unterschieden zwischen den protestantischen und katholischen Gotteshäusern. Sein Wissen trägt er, garniert mit zahlreichen Fotos, auf seiner Internetseite kirchen-online.org zusammen. „Ich möchte mit der Homepage die Neugier der Menschen wecken und sie ermutigen, näher hinzuschauen“, sagt Keller.

 

Immer weniger Menschen gehen in die Kirche. Manchmal, sagt Keller, mache es die Kirche einem auch nicht leicht. Einige Gotteshäuser sind werktags geschlossen. „Vor allem die evangelischen“, sagt Keller, selbst Protestant. „Das ist ein Ärgernis.“ Obwohl die evangelische Kirche mit der Bewegung Offene Kirche dem mittlerweile entgegenwirke. „Sie haben doch gemerkt, dass es wichtig ist“, sagt Keller. Dass dies noch nicht überall so sei, hänge mit dem theologischen Verständnis der Protestanten zusammen, sagt der 69-Jährige. „Sie brauchen keinen bestimmten Ort für das Zwiegespräch mit Gott.“ Über sein Hobby, das Kirchenprojekt, mit dem er 2011 begonnen hat, hat sich Andreas Keller manches Wissen angeeignet. „Ich schaue mir die Kirchen an, lese, mache Bilder, suche im Internet und der Stadtbücherei Literatur und studiere Quellen“, sagt er.

Interesse an Kirchen allerorten

Auch aus seiner beruflichen Zeit sind ihm Kirchen nicht fremd. Von 1972 bis 2008 war er Intendant der Internationalen Bachakademie, die in Stuttgart-West ihren Sitz hat. Zahlreiche Kirchenkonzerte sind unter seiner Führung über die Bühne gegangen. „Als Organisator achtet man natürlich auf andere Dinge wie beispielsweise das Licht, ob es ausreichend Platz gibt, und ganz profan, wo die Künstler auf Toilette können“, sagt er. „Ältere Kirchen sind darauf nicht ausgelegt.“ Gotteshäuser, die erst im 20. Jahrhundert gebaut oder wiederaufgebaut worden sind, hingegen schon. „Bei der Gedächtniskirche beispielsweise hat der Architekt Helmut Erdle die Musik mitgedacht“, so Keller. Sie wurde in den 1950er Jahren wieder aufgebaut.

Vor kurzem hat er seine Nachforschungen über die Johanneskirche und die St. Elisabeth Kirche abgeschlossen und auf seine Seite gestellt. Keller interessiert sich für Kirchen allerorten. In Stuttgart hat er bisher viele aus dem Westen katalogisiert. „Ich fühle mich dem Stadtbezirk sehr verbunden“, sagt Keller. „Ich wohne nahe des Hölderlinplatzes und bin 30 Jahre zur Arbeit durch den Westen geradelt.“ Die Johanneskirche sei ein Schmuckstück und ein Wahrzeichen, findet Keller. Für eine evangelische Kirche ist sie recht pompös. „Zur Bauzeit ist auch der Westen aufgeblüht, dort siedelte sich die Bürgerschaft an und die wollten etwas Gescheites haben“, sagt Keller. Die Johanneskirche ist die erste evangelische Kirche, die in Stuttgart nach der Reformation gebaut wurde. Die drei heutigen Citykirchen – Stifts-, Leonhards- und Hospitalkirche – sind älter und waren vor der Reformation katholisch.

Seine Seite soll ein Anreiz sein

Gerade in der Kirche St. Elisabeth sieht Keller im historischen Kontext das katholisches Gegenstück zur Johanneskirche. „Noch im 19. Jahrhundert waren die Katholiken in Stuttgart eine unterdrückte Minderheit“, sagt er. Die Kirche am Bismarckplatz stehe für das Erstarken der katholischen Gemeinde. 1901 wurde sie als Tochtergemeinde von St. Maria erbaut. „Damals war es die Hauptkirche für die Katholiken.“

Über seine Erkenntnisse tauscht sich Andreas Keller häufig mit Norbert Bongartz aus. Seine wichtigste Hilfe nennt er den pensionierten Konservator im Denkmalamt. Auch bei den Pfarrern holt er sich Meinungen ein. So ist über drei Jahre ein umfangreicher digitaler Katalog entstanden. Andreas Keller empfiehlt dennoch, seine Seite nur als Anreiz zu nehmen und die Kirchen selbst aufzusuchen. „Für Menschen auf der Sinnsuche sind es wunderbare Räume und ein Besuch kann eine spirituelle Erfahrung sein.“ Doch nicht nur aus religiöser Motivation heraus seien Kirchen ein bedeutender Ort. „Egal wie gläubig oder nicht gläubig man ist, wir leben im christlichen Abendland und die Kirchen sind ein Gut unserer Kultur“, sagt Keller.