Am Dienstag ist das 620-seitige Programmheft des Evangelischen Kirchentags in Stuttgart vorgestellt worde. Es geht um die großen Themen unserer Zeit – und ganz viel Prominenz kommt in die Stadt.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Krisenherde von der Ukraine bis in den Nahen Osten haben ihre Spuren hinterlassen im Programm des 35. Evangelischen Kirchentags. Aber auch eine ganze Reihe anderer Konfliktthemen stehen auf der Liste der Großveranstaltung, die vom 3. bis zum 7. Juni in Stuttgart stattfindet. Neben dem Schwerpunkt „Frieden und Flüchtlinge“ wird es in teils hochkarätig besetzten Podien auch um das Verhältnis von „Wirtschaft und Werte“ sowie um „Demokratie und Daten“ gehen. Zu den mehr als 2500 Veranstaltungen werden etwa 100 000 Dauergäste erwartet, beim Auftakt, dem Abend der Begegnung, sogar 300 000.

 

„Wir steuern zu auf einen Kirchentag in Zeiten, die so brutal, so kriegerisch sind wie schon lange nicht mehr“, sagte Kirchentagspräsident Andreas Barner bei der Vorstellung des Programms. „Die Krise ist nicht mehr die Abweichung von der Normalität, die Krise ist die Normalität.“ Entsprechend wird es in vielen Veranstaltungen um Fragen gehen, wie sich Europa und die Kirchen in dieser Lage verhalten sollen. Und welche Verantwortung die Religionen haben.

Bei Diskussionen werden sich nicht nur namhafte Politiker mit solchen Fragen befassen (siehe unten „Joachim Gauck und andere A-Promis“), es werden auch Flüchtlinge von ihrem Schicksal berichten. Und weil, so Andreas Barner, „beim Kirchentag Reden und Handeln Hand in Hand gehen“, werden alle Einnahmen aus den Kollekten Flüchtlingsprojekten zugute kommen.

Wie sieht verantwortungsvolles Wirtschaften aus?

Ein Thema, welches durch die Finanzkrise an Aktualität gewonnen hat, beschäftigt sich mit verantwortungsvollem, nachhaltigen Wirtschaften. „Die Frage des klugen Wirtschaftens muss eine Frage für die Kirchen in Stuttgart sein“, erklärte Barner mit Blick auf das Kirchentagsmotto „. . . damit wir klug werden“. Dafür sei die baden-württembergische Landeshauptstadt mit ihren großen Unternehmen, aber auch mit den vielen Familienbetrieben ein besonders passender Ort, sagte Andreas Barner, der selbst Vorsitzender der Unternehmensleitung des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim ist.

Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist seit langem ein Thema bei den evangelischen Kirchentagen. Auch in Stuttgart wird es wieder in verschiedenen Diskussionen darum gehen, wie „Klimagerechtigkeit“ erreicht werden kann. Auch beim Thema Nachhaltigkeit nehmen sich die Verantwortlichen des Kirchentages selbst beim Wort. So soll bei der Großveranstaltung sogenanntes „ökofaires Essen“ angeboten werden. Die Organisatoren haben sich ein weiteres hohes Ziel gesetzt: die Logistik der Großveranstaltung soll weitgehend emissionsfrei erfolgen. So wird ein Großteil der Transporte mit Lastenrädern abgewickelt.

Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussionen

Ebenfalls viel Prominenz hat sich zu Debatten darüber angesagt, welche Folgen das zunehmende Datensammeln für die Demokratie hat, Stichwort: Big Data. Einen Beitrag gegen die Verunsicherung in der Gesellschaft durch Einwanderung und den wachsenden religiösen Pluralismus sollen die Veranstaltungen zum Thema Interreligiösität leisten. „Wie Christen und Muslime zusammenleben“ ist nur eine von vielen Veranstaltungen, bei denen auch Islamwissenschaftler und Theologen aus dem arabischen Raum zusammenkommen. „Der heutigen Verunsicherung möchten wir das Angebot eines verantwortlichen Glaubens entgegenhalten“, sagte die Generalsekretärin des Kirchentags, Ellen Ueberschär. Ein Dialog soll erstmals auch mit den messianischen Juden geführt werden.

Innerkirchliche Konflikte haben beim Kirchentag ein Forum, etwa der Streit über die Auslegung der Bibel. So findet zum ersten Mal der von konservativen Gruppen organisierte Christustag im Rahmen des Kirchentags statt. „Diese Kooperation ist ein Meilenstein“, sagte die Generalsekretärin.

Um religiöse Vielfalt wird es auch in vielen Veranstaltungen der Württembergischen Landeskirche gehen. Diese wird auf dem Schlossplatz mit einer Zeltkirche vertreten sein, die auch als Gasthaus fungiert. Nicht nur dort wird beim Kirchentag, an dem etwa 50 000 Menschen mitwirken, auch kräftig gefeiert. Ein Höhepunkt des umfangreichen Kulturprogramms, so die Ulmer Prälatin Gabriele Wulz, werde der Abend der Begegnung sein. Dabei werden auf allen Bühnen mehr als 3000 Sängerinnen und Sänger beim „Klang des Südens“ zu einer Stimme werden.