Gut ein halbes Jahr vor dem Evangelischen Kirchentag gibt es Streit. Eine Gruppe von Männern, die aus religiösen Gründen ihre Homosexualität nicht leben, fühlen sich diskriminiert, weil sie beim Kirchentag nicht auftreten dürfen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die geistliche Gemeinschaft „Bruderschaft des Weges“ darf sich beim Evangelischen Kirchentag im Juni 2015 in Stuttgart nicht präsentieren. Die Verantwortlichen haben einen Antrag der Gruppe, der homosexuelle Männer angehören, die ihre Neigung aus religiösen Gründen nicht ausleben, abgelehnt. Die 16 Mitglieder der Gemeinschaft wollten am „Markt der Möglichkeiten“ teilnehmen.

 

Die Bruderschaft mit Sitz in Tamm im Kreis Ludwigsburg hat die Entscheidung kritisiert. Die Evangelische Kirche grenze nicht nur eine Organisation, sondern auch die dahinter stehenden Menschen aus. Bei den Organisatoren des Kirchentags ende Toleranz offenbar dort, wo Christen es auf sich nähmen, einen am Wort Gottes ausgerichteten Lebensentwurf zu gestalten.

Die Bruderschaft spricht von „Diskriminierung“

„Das ist Diskriminierung“, erklärte Stefan Schmidt, ein Mitglied der Gruppe, der elf evangelische und fünf katholische Männer angehören. Der Bruderschaft sei mitgeteilt worden, dass die Organisatoren des Kirchentages befürchteten, die Bruderschaft könne gelebte Homosexualität als „falsche Lebensform“ darstellen, wie dies in der Vergangenheit geschehen sei. Es gehe der Gruppe, die seit zwei Jahren besteht, aber gar nicht darum, „andere Menschen, die ihre Homosexualität leben, als schlecht und sündig darzustellen“, so Schmidt. Die Mitglieder hätte ihre Sexualität für sich aber als „problematisch erlebt“ und wollten sie deshalb nicht praktizieren. Er verstehe nicht, warum andere sich durch ihre Anwesenheit angegriffen fühlen könnten. Andererseits sei der Kirchentag offenbar dazu bereit, für „alle möglichen Gruppierungen, die für bestimmte sexuelle Praktiken eintreten, einen Raum zu schaffen“, kritisiert Schmidt. „Das ist absurd bei einem Kirchentag, der sich Toleranz auf die Fahnen geschrieben hat.“

Fast 800 Gruppen beim „Markt der Möglichkeiten“

Stephan von Kolson, Leiter der Kommunikation des Kirchentags, begründete die Entscheidung damit, dass der Kirchentag homosexuelle Lebensformen anerkenne. Deshalb unterstütze man auch keine Gruppierung, die die Abänderlichkeit dieser sexuellen Orientierung bewerbe. So werde es beim Kirchentag vom 3. bis 7. Juni ein Zentrum Regenbogen geben, „bei dem sich verschiedene Gruppen vorstellen, die mit Homosexualität zutun haben“, so von Kolson. Am Markt der Möglichkeit in der geplanten Zeltstadt auf dem Cannstatter Wasen beteiligen sich fast 800 Gruppen, Initiativen und Organisationen.

Es komme immer wieder vor, dass man Gruppen, die beim Kirchentag auftreten wollen, ablehne, betonte von Kolson. „Gruppen, die die Diskriminierung von Menschen vertreten, werden nicht zugelassen.“ Kritiker werfen der Bruderschaft, die mit dem ebenfalls in Tamm ansässigen Verein „Wüstenstrom“ in Verbindung steht, vor, über diesen „Umpolungstherapien“ für Homosexuelle anzubieten.