Eine Projektgruppe des Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasiums ist davon überzeugt, das Geheimnis um die achteckige Form des Kastells gelüftet zu haben. Doch die Fachwelt schenkt ihren astronomischen Berechnungen kaum Beachtung.

Kirchheim - Wer das Castel del Monte, das vom Stauferkaiser und König von Süditalien Friedrich II. errichtete legendäre Kastell besuchen will, muss nicht zwangsweise bis nach Apulien in Italien reisen. Denn kurz vor dem Beginn der Sommerferien war das auch auf dem Areal des ehemaligen Kirchheimer Güterbahnhofs möglich. Dort hatte eine Projektgruppe des hiesigen Ludwig-Uhland-Gymnasiums (LUG) den Grundriss des geheimnisumwobenen achteckigen Gebäudes sowie jenen des Brückentors zu Capua im Maßstab 1:1 aufgeklebt und so den Besuchern einen virtuellen Bummel durch die historischen Gemäuer ermöglicht.

 

Freilich ist es der Gruppe um den Mathematiklehrer Martin Kieß um weit mehr gegangen als die bloße Darstellung der Festung. Denn der 67-Jährige ist schon seit vielen Jahren vom Castel-del-Monte-Virus infiziert und hat damit schon mehrere Schülergenerationen angesteckt. Und Martin Kieß ist davon überzeugt, mit seinen Schülern das Geheimnis um die achteckige Form und die Ausrichtung von Castel del Monte gelüftet zu haben.

Steinernes Abbild einer Planetenkonstellation

Schon gut 15 Jahre ist es her, als ihn ein Bericht des Geodäten Wolfgang Zick dazu angestachelt hatte, sich mit den Gründen für die achteckige Form des Kastells auseinanderzusetzen. Zick hatte als Mitglied einer Forschergruppe der Karlsruher Universität um den Professor Wulf Schirmer jahrelang mit einem hohen finanziellen und personellen Aufwand dem Geheimnis vor Ort hinterher gespürt. Er kam zu dem kategorischen Schluss, astronomisch esoterische Hintergründe seien „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ auszuschließen – eine Mutmaßung, der sich viele Forscher anschlossen. „Das hat mich genervt“, gibt Martin Kieß zu und schien schon damals zu ahnen, Zick könne gewaltig daneben liegen.

Doch nur von Ahnungen lässt sich ein so rational denkender Mensch wie Martin Kieß nicht lenken. Denn er hatte sich schon lange mit Astronomie und Astrologie beschäftigt und entschied sich im Rahmen eines Seminarkurses am LUG für diese Herangehensweise an das Rätsel, an dem sich schon so viele Wissenschaftler verschiedener Fakultäten die Zähne ausgebissen haben. Und die Teilnehmer und ihr Lehrer kamen im Zuge aufwendiger Berechnungen darauf, dass das Castel del Monte das steinerne Abbild einer Planetenkonstellation ist. Diese hätten die Astrologen des Stauferkaisers auf den Tag der Schlussweihe – eine Art Richtfest – des fast fertigen Gebäudes am 26. Dezember 1241, dem 47. Geburtstag Friedrich II., voraus berechnet.

Belege für früheren Baubeginn

Mit Hilfe eines nachweislich existierenden Planetariums – zur Zeit Friedrich II. wurden schon erstaunliche Leistungen auf dem Fachgebiet der Astronomie erbracht – hätten die Gelehrten acht Jahre zuvor bei der Orientierung für das Kastell ergründet, dass Saturn, Mond, Venus, Sonne, Mars, Jupiter sowie der Aszendent und der sogenannte Glückspunkt an jenem Tag um genau 16.45 Uhr Ortszeit ein regelmäßiges Achteck bilden.

Damit müsse schon im Jahr 1234 mit dem Bau begonnen worden sein, bisher waren die Historiker dafür von frühestens 1240 ausgegangen. Aber auch für den von ihnen vermuteten früheren Baubeginn fanden Kieß und seine jungen Mitstreiter Belege. Unter anderem den, dass Friedrich II. schon in den Jahren 1243 und 1244 per Statut Renovierungsarbeiten für diverse Kastelle angewiesen hatte, darunter auch für Castel del Monte. „Wieso hätte er das tun sollen, wenn erst drei Jahre zuvor mit dem Bau begonnen worden sein soll?“, fragt sich Kieß. Zudem deute auch die Orientierung des Kastells mittels des ersten morgendlichen Sonnenstrahls auf den 26. Dezember 1241 als den Tag der Achtstern-Konstellation hin. Und auch für das neuneckige Brückentor zu Capua könne eine Planetenkonstellation zu Grunde gelegt werden.

Keine Berühmtheit für die junge Forscher

Als er mit seinen jugendlichen Forschern mittels aufwendiger und in den Zusammenhang mit der Geschichte gestellter Berechnungen auf diese für sie plausiblen Begründungen gestoßen sei, „da war ich baff“, erklärt Martin Kieß, der schon oft mit seinen Schülerkursen Exkursionen zum Castel del Monte unternommen hat. „Wir dachten, wir würden jetzt berühmt“, erinnert sich der Mathematiker, um sogleich hinzuzufügen: „Das hat getäuscht.“ Denn die Wissenschaftler, die zuvor vergeblich mit dem Rätsel des Oktogons befasst gewesen seien, hätten die von einer Schülergruppe erhobenen Forschungsergebnisse trotz der Belege als Zufall abgetan und sie mit Nichtachtung gestraft.

Martin Kieß nennt sie „frustrierte Neider, die nicht wollen, dass wir hoch kommen“. Schließlich hätten sie in einem Fall für viel Geld sechs Jahre lang vergeblich Vermessungsarbeiten verrichtet, „während wir mit rund 4000 Euro vom Förderverein für die Anschaffung von Theodoliten und anderer Messgeräte dem Rätsel von Castel del Monte auf die Spur gekommen sind“.

Die Erkenntnisse werden in einem Buch veröffentlicht

Doch es gibt auch Institutionen, die den Forscherdrang der engagierten Schüler und ihres Lehrers unterstützen. Allen voran Cesare Ghilardelli vom italienischen Kulturinstitut in Stuttgart. „Dessen Empfehlungsschreiben ermöglichte uns in ganz Italien den Zugang zu den Orten, die sonst verschlossen geblieben wären“, erzählt Martin Kieß, der dem ehrwürdigen Castel del Monte für Vermessungsarbeiten sogar aufs Dach steigen darf.

Zudem hat das Magazin „Mysteries“, das sich mit kuriosen Phänomenen, kontroversen wissenschaftlichen Entdeckungen und geheimen Forschungsprojekten befasst, in ihrer Märzausgabe 2015 die Leistung der Kirchheimer Gruppe gewürdigt. „Deutscher Lehrer und seine Schüler knacken Sternencode – Castel del Monte – Das astrologische Vermächtnis des Stauferkaisers“, lautete der Titel.

Und in Süditalien wird den Schulforschern und ihren Erkenntnissen offenbar mehr Beachtung geschenkt. Im kommenden Jahr will der apulische Mario Adda Verlag in Bari ein Buch herausbringen, in dem die von den LUG-Schülern und ihrem Lehrer erarbeiteten Forschungsergebnisse auf Deutsch und Italienisch nachzulesen sind. Das ist wohl auch der Fürsprache durch den bekannten italienischen Historiker Cosimo Damiano Fonseca zu verdanken. Das Werk soll im Museumsshop von Castel del Monte verkauft werden.