Die Architekten, die den Neubau des Waldhorns am Kirchheimer Marktplatz planen, müssen ihre Arbeit nachbessern. Der Gestaltungsbeirat der Stadt bemängelt die fehlenden Kleinteiligkeit in der Fassade.

Kirchheim - Eine gute halbe Stunde lang war die Architekten-Zeichnung vom vermeintlich neuen Aussehen des „Waldhorn“, des Traditionslokals am Kirchheimer Marktplatz, auf der Leinwand zu sehen gewesen. Erst dann hat die Kirchheimer Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker den erlösenden Satz gesagt: „Wenn der Bau so bleibt, wie hier auf dem Plan, wird er nicht genehmigt!“

 

Kaum ausgesprochen, ist ein Aufatmen durch die dicht besetzten Reihen im Vortragssaal der Stadtbibliothek gegangen. Rund 50 Zuhörer hatten am Freitag zu früher Stunde erfahren wollen, wie sich der Gestaltungsbeirat der Stadt in seiner vorausgegangene Klausursitzung zu den Plänen des Investors Robert Ruthenberg gestellt hat. Das Publikum war’s zufrieden – der Mann, der seit zwei Jahren in den Startlöchern sitzt und viel Geld in die Hand nimmt, um die dem Abbruch geweihte Traditionsgaststätte in neuem Gewand wiederzubeleben, weniger. Bei ihm und seinen beiden Architekten hat sich die Freude in Grenzen gehalten. Auf Geheiß des Gestaltungsbeirats müssen die Planer nun ihren Entwurf noch einmal überarbeiten.

Leserbriefschlacht in der Lokalzeitung

Der öffentlichen Diskussion vorausgegangen war nicht nur die einstündige Klausursitzung des Beirats, sondern eine mehrwöchige Leserbriefschlacht in der Lokalzeitung. Dass das Waldhorn, ein 300 Jahre altes, schon damals nicht gerade dauerhaft gebaut Fachwerkhaus, der Abrissbirne nicht würde entkommen können, das hat man in der Teckstadt mittlerweile mehr oder weniger zähneknirschend akzeptiert. „Eine reine Rekonstruktion setzt eine erhaltenswerte Struktur voraus. Die aber gibt es nicht“, stellte der mit dem Auftrag betraute Stuttgarter Architekt Franco Berardi noch einmal unwidersprochen fest. Was er und sein Partner, Jan Keinath, jedoch anstelle des feingliedrigen Fachwerkbaus vorgesehen haben, das ist keineswegs unwidersprochen geblieben.

Ein völliger Verzicht auf Fachwerk, stattdessen drei große Fensteröffnungen und ein ebenso flächiger Verputz – das hat in der dem Fachwerk nachtrauernden Bevölkerung einen Sturm der Empörung ausgelöst. Dem hat sich, wenn auch mit gesetzteren Worten, jetzt auch der Gestaltungsbeirat angeschlossen. „Wir haben den Fernsehapparat in Frage gestellt“, sagt Hans Klumpp, der die Sitzung des Beirats in Vertretung der Vorsitzenden, Sophie Wolfrum, geleitet hat.

Lob für den Investor und sein Engagement

Dieser Fernsehapparat, eine Anspielung auf die Flachbild-Anmutung der Fensterflächen an der Schauseite des Gebäudes, soll nun durch eine kleinräumigere Struktur ersetzt werden. Auch der Baustoff Holz soll nach dem Willen des Gestaltungsbeirats wieder stärker zur Geltung kommen. „Wir wollen mehr kleinteiligen Reichtum an der Giebelfront, keine kühle, flächige, weiße Fassade“, fasst Klumpp zusammen.

Ganz ohne warme Worte sind Ruthenberg und seine Architekten nicht in die neuerliche Überarbeitung entlassen worden. „Der Investor geht das heikle Thema mit großen Ambitionen an“, würdigte Klumpp zum Abschluss der Präsentation.

Pläne haben die „Herzen der Bürgerschaft“ noch nicht erreicht

Waldhorn
Dass das im Jahr 1699 nach dem großen Stadtbrand errichtete Waldhorn nicht mehr zu retten ist, haben mehrere Untersuchungen der maroden Bausubstanz ergeben. Robert Ruthenberg, der das Haus zu Beginn des Jahres 2015 erstanden hat, will das seit 1895 als Gasthaus genutzte Gebäude wieder neu erstellen. Freie Hand hat der Gastronom allerdings nicht. „Ein Neubau muss die Wertigkeit, die dem Waldhorn im Herzen der Stadt und der Bürgerschaft zukommt, aufnehmen“, hat ihm die Oberbürgermeisterin, Angelika Matt- Heidecker, ins Pflichtenheft geschrieben. Die „Herzen der Bürgerschaft“ haben die bisher vorgestellten Pläne nicht gewinnen können. Weil dem Neubau an dieser städtebaulich sensiblen Stelle auch eine architektonisch wegweisende Bedeutung für weitere, vom Verfall bedrohten Häuser in der Kirchheimer Innenstadt zugeschrieben wird, schlagen die Wogen der Empörung in der Teckstadt besonders hoch. Das geht so weit, dass die Mitgliedschaft an der durch Kirchheim führenden „Deutschen Fachwerkstraße“ in Frage gestellt wird.

Gestaltungsbeirat
Der Gestaltungsbeirat ist ein Gremium, das die Stadtverwaltung beim Erhalt des reichen baukulturellen Erbes Kirchheims berät. Der Beirat setzt sich zusammen aus Mitgliedern der Verwaltung, fach- und sachkundigen Bürgern, Architekten und Stadtplanern. Den Vorsitz hat Sophie Wolfrum, die Inhaberin des Lehrstuhls Städtebau und Regionalplanung an der Technischen Universität München. Die Stellungnahme des Beirats hat Gewicht, wenn es um die Genehmigung des Bauantrags durch die Stadt geht.