1, 1 Milliarden Euro: So viel müssen Porsche und VW vielleicht bald berappen. Zumindest, wenn eine neue Schadenersatzklage Erfolg hat.

Braunschweig - Porsche und VW drohen weitere Schadenersatzzahlungen. Die Rechtsanwaltskanzlei CLLB hat am Mittwoch beim Landgericht Braunschweig eine Schadenersatzklage in Höhe von 1,1 Milliarden Euro eingereicht, wie die Münchner Kanzlei gegenüber der StZ bestätigte. Eine Gruppe von Banken, Versicherungen und anderen Finanzgesellschaften wirft den Unternehmen eine Manipulation des Aktienhandels im Zuge der gescheiterten Übernahme von VW durch Porsche vor. Zudem sollen sie Informationen zurückgehalten haben, die sie eigentlich hätten veröffentlichen müssen.

 

Ein ähnlicher Rechtsstreit läuft bereits in Amerika. Dort verlangt eine Gruppe von Investment- und Hedgefonds, die beim Zocken mit VW-Aktien viel Geld verloren haben, Schadenersatz in Höhe von etwa zwei Milliarden Dollar, weil sie sich vom früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und dem ehemaligen Finanzvorstand Holger Härter getäuscht fühlen. Eine Entscheidung wird erst im nächsten Jahr erwartet.

Verschmelzung von Porsche nicht möglich

Darüber hinaus ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart schon seit Längerem gegen Wiedeking und Härter unter anderem wegen des Verdachts der Manipulation des Aktienhandels. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte bereits im Februar mitgeteilt, dass die Ermittlungen äußerst aufwendig und zeitintensiv seien und nicht vor Ende dieses Jahres abgeschlossen werden könnten.

Obwohl absehbar war, dass es in diesem Jahr keine rechtliche Klarheit mehr geben dürfte, hatten VW und Porsche in den vergangenen Monaten an dem Fahrplan festgehalten, eine Verschmelzung noch in diesem Jahr über die Bühne zu bringen. VW und Porsche hatten bereits die dafür erforderlichen Hauptversammlungen im Dezember terminiert. Am Donnerstagabend haben die Unternehmen nun, wie in einem Teil unserer gestrigen Ausgabe berichtet, die Notbremse gezogen. VW und Porsche teilten mit, dass die Fusion in diesem Jahr nicht mehr vollzogen werden kann. Aufgrund der immer noch bestehenden rechtlichen Hürden sei eine Quantifizierung der wirtschaftlichen Risiken einer Verschmelzung und eine Bewertung von Porsche derzeit nicht möglich. Die in dieser Woche hinzugekommene Klage von CLLB soll nach Darstellung beider Unternehmen indes nicht der Auslöser für dieses plötzliche Bremsmanöver gewesen sein.

Kostenvorteile können nicht vollständig genutzt werden

Nachdem der ursprünglich in einer Grundlagenvereinbarung zwischen VW und Porsche enthaltene Fahrplan nun Makulatur ist, wird ein Plan B wahrscheinlicher, den die Unternehmen schon als Notlösung vereinbart hatten. VW hat die Option, auch die zweite Hälfte des Autobauers Porsche zu übernehmen, der unter dem Dach der Porsche Holding angesiedelt ist. Knapp die Hälfte der Anteile hat VW bereits (siehe Schaubild). Die Porsche Holding wiederum hat die Option, diese zweite Hälfte abzugeben. Auch auf diesem Umweg könnte eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen beiden Unternehmen ermöglicht werden.

Bisher kann ein Teil der möglichen Kostenvorteile nicht genutzt werden, weil die Porsche Holding und VW unterschiedliche Aktionärskreise haben und bei allen Kooperationen hundertprozentig der Verdacht vermieden werden muss, dass eine Seite benachteiligt werden könnte. Manches Projekt liegt deshalb noch auf Eis. Weil die Option des Verkaufs der zweiten Hälfte des Autobauers Porsche an VW wahrscheinlicher geworden ist, wird Porsche nun nach eigenen Angaben für die ersten drei Quartale voraussichtlich einen Verlust verbuchen. VW dagegen wird im Finanzergebnis einen Sondergewinn verbuchen können. Dabei fließt indes kein Geld. Es handelt es sich um rein buchhalterische Vorgänge. Darin schlägt sich nieder, dass Porsche heute mehr wert ist als der Preis, der in der Grundlagenvereinbarung für die Hälfte der Anteile 2009 festgelegt worden war. Ob VW diesen Weg nun tatsächlich einschlägt, ist jedoch offen.

An der Börse barch die Porsche-Aktie ein

Der Vorstand werde in den kommenden Wochen analysieren, ob neben der Optionslösung weitere Handlungsmöglichkeiten bestehen, teilte das Unternehmen mit. Damit könnte gemeint sein, dass die beiden Unternehmen im nächsten Jahr eine Verschmelzung der Porsche Holding mit VW anpeilen, wenn bis dahin die rechtlichen Auseinandersetzungen vom Tisch sein sollten und kein Schadenersatz gezahlt werden müsste. Dafür müsste aber zunächst eine neue Vereinbarung geschlossen werden. VW-Finanzvorstand Pötsch hat mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Verschmelzung gegebenenfalls auch noch nach 2011 gelingen könne.

An der Börse brach die Porsche-Aktie ein, während die VW-Aktie mit dem Markt nur leicht nachgab. Darin dürfte zum Ausdruck kommen, dass etliche Porsche-Aktionäre nun zunächst einmal die Hoffnung fahren lassen, zu günstigen Konditionen Miteigner von VW zu werden.