Der österreichische Liedermacher und Popstar Wolfgang Ambros hat in den Tiroler Bergen seine eigene Kleinkunstbühne eröffnet. Alle 14 Tage gibt’s Kabarett, und manchmal musiziert Ambros höchstpersönlich.

Waidring/Tirol - Die kratzige Stimme. Das meckernde Lachen: „Mir san zwa oide Affn“, sagt der Mann auf der Minibühne, der hundertprozentig nach Wolfgang Ambros klingt. Aber Wolfgang Ambros, 60 mittlerweile und die Ikone der österreichischen Popmusik schlechthin, steht stumm hinter der Bar, in Hausschuhen, mit verschränkten Armen. Er grinst ein bisschen über den Mann, der ihn parodiert. Alexander Bisenz heißt er, 50 ist er, seit Ende der achtziger Jahre haben ihm seine Ambros-Persiflagen den Weg zu einem regelmäßigen Auskommen geebnet: Er ist einer der angesehensten Kabarettisten Österreichs.

 

Er spielt an diesem Abend vor siebzig Leuten in einem liebevoll dekorierten Raum, in den achtzig Leute reinpassen. „Oas’al“ (auf hochdeutsch etwa „kleine Eins“) steht über dem Eingang, der genau genommen ein Hintereingang zu Ambros’ Haus ist. Seit zwei Jahren lebt der mit seiner jungen Lebensgefährtin und den beiden kleinen Zwillingen in der traumhaft zwischen den Tiroler Bergen gelegenen 2000-Seelen-Gemeinde Waidring, wo die freundlichen Kassiererinnen im Supermarkt „Griaß di“ sagen. Früher mal war das Haus seine Discothek. Aber mit den Jahren ist ihm diese Discothek „mehr und mehr auf die Nerven gegangen“. Ambros sagt, er wollte nicht mehr „jeden Freitag und Samstag 15-jährigen Mädchen dabei zuschauen, wie sie den ganzen Parkplatz brauchen und hinter jedes Auto speiben“.

Aus der Discothek wird ein gemütliches Wohnhaus

Er wollte dann ohnehin raus aus seinem Heimatdorf Pressbaum bei Wien. Er hat seine Waidringer Discothek in ein gemütliches Wohnhaus für sich und seine Familie umgebaut. Dabei ist der Raum mit der Bar einfach übrig geblieben. „Da dachte ich mir, eine Kleinkunstbühne ist eine gute Idee. Es gibt weit und breit nichts Vergleichbares.“ Es gibt grüne Wiesen, schroffe Berge, ein tolles Skigebiet und manchmal Bauerntheater. Und seit jetzt eben das Oas’al: „Ich habe diese Kabarettisten immer beneidet“, sagt Wolfgang Ambros am massiven Holztisch vor seinem Haus, „weil sie null Aufwand haben“. Deswegen habe er, der zu Beginn seiner Karriere anno 1972 allein mit der Gitarre unterwegs war, dann aber jahrzehntelang mit seiner kernigen Rockband, der Number 1 vom Wienerwald, vor ein paar Jahren gemeinsam mit seinem Keyboarder Günter Dzikowski sein intimes Duoprojekt Ambros Pur entwickelt, „den Kabarettisten nachempfunden“. Er sagt: „Es ist nicht immer notwendig, dass man das ganze Brimborium mitschleppt.“

Gute Popmusik kommt nicht ohne Pathos aus. Gutes Kabarett nicht ohne Ironie. Und die beiden Geschwister im Blick auf die Welt sind einander oft spinnefeind. Aber Wolfgang Ambros treiben andere Gedanken um: „Die meisten haben die Potenz nicht dafür, sich alleine auf eine Bühne zu begeben. Du musst schon wer sein, dass du dich hinstellst und alleine den Abend gestaltest. Man muss was können. Und man muss überzeugt davon sein.“

Die Leute lachen schon bei der Ankündigung

Wolfgang Ambros war immer gut darin, überzeugt zu sein – von sich selbst und von anderen. Das Publikum hat sich hingesetzt, nachdem vorher die Damen ihre Plätze mit Handtaschen reserviert hatten, wie das in dieser Gegend üblich ist. Hier kommt nichts weg. Der Hausherr selbst erklimmt die Bühne und kündigt seinen Kabarettisten im Wiener Idiom an: „Der mocht mi noch – da scheißt di an!“, sagt er.

Das ist ein großes Lob in Österreich, und die Leute lachen jetzt schon – der rüstige Liftbesitzer, dessen liebstes Hobby darin besteht, früh morgens am Parkplatz die Autos einzuweisen, der Rechtsanwalt, der Ambros im November eine Benefiz-Konzert in Indonesiens Hauptstadt Jakarta organisiert hat, die Dorfhonoratioren mit ihren aufwendig frisierten Frauen und die jungen Leute, die gerade noch Jugendliche waren. Die Stimmung ist gelöst, und Alexander Bisenz’ erster Scherz handelt davon, dass „keine Sau“ den Weg nach Waidring findet. Alle 14 Tage ist Kabarett im Oas’al. In der Zwischenzeit tollen Sebastian und Rosalie, die kleinen Zwillinge, mit ihren Plastikautos im Zuschauerraum der Kleinkunstbühne herum. Ambros hat ihnen auf seinem Album „190352“ ein eindringliches Lied geschrieben: „Das Leben hat an neuen Zweck und an neuen Sinn“, singt er in „Vier blaue Augen“. Das Album ist im Frühling erschienen, es ist das erste seit sechs Jahren mit neuen Ambros-Songs, und es ist berührend intim und erstaunlich wagemutig geworden. Aber Ambros geht vorerst nicht mit den neuen Liedern auf Tournee. Seine alte Band könne die neuen Lieder nicht spielen, sagt er. Und die jungen Musiker, mit denen er das aktuelle Album eingespielt hat, würden seine alten Hits nicht beherrschen.

Werbeplakate hängt Ambros selbst auf

Stattdessen ging er wieder mit seinem „Kultrustical“ „Der Watzmann ruft“ auf Sommertournee, er spielt Best-of-Konzerte mit der Band und Duoabende mit dem Keyboarder. Und er klebt gemeinsam mit einem Waidringer Freund Plakate für seine Kleinkunstbühne in den Tiroler Nachbardörfern. Es hat im Frühjahr so gut angefangen, sagt er. Der Abend mit Joesi Prokopetz, der ihm einst den Text für seinen ersten Hit „Da Hofa“ schrieb und der heute zu Österreichs erfolgreichsten Kabarettisten gehörte, war ausverkauft. Ambros’ eigene Duo-Konzerte ebenfalls. Aber dann, kurz vor der Sommerpause, kamen ihm 35 Grad Außentemperatur und gleichzeitig das Feuerwehrfest dazwischen. „Fäaweafest“, sagt Ambros, als er die Geschichte seinem Publikum erzählt, ehe Alexander Bisenz André Heller, Toni Polster und Wolfgang Ambros parodiert.

Bei Bisenz im Herbst ist es fast voll, aber das liegt auch daran, dass der Hausherr viele Karten verschenkt hat. Er hat jetzt beim Land Tirol eine Förderung für das Oas’al beantragt. Denn „wenn es nur ein Verlustgeschäft ist, dann werde ich auf die Kleinkunstbühne verzichten müssen“. Aber der Mann, dessen beste Lieder sich über Jahrzehnte hinweg im Herzen festsaugen, schätzt die Ironie. Wie er reagiert, wenn er selbst zur Zielscheibe des Kabaretts wird? „So wie jeder kluge, berühmte Mensch das tun sollte – nämlich sich geehrt fühlen.“