25 Jahre nach dem FCKW-Verbot zeigen sich erste Erfolge: Der Ozonverlust über der Antarktis wird geringer. Doch nun wächst die Gefahr für Ozonlöcher im Norden, auch über Europa.

Stuttgart - Erste Indizien deuten eine Nachricht an, auf die Atmosphärenforscher seit genau 25 Jahren warten: Das Ozonloch in der Stratosphäre schließt sich anscheinend langsam wieder. Die Weichen für diese Entwicklung hatten am 29. Juni 1990 in London 196 Länder und die Europäische Union mit ihrem Beschluss gestellt, bis zum Jahr 2000 praktisch keine Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) mehr herzustellen. Damit verschärften sie das „Protokoll von Montreal“, in dem sie 1987 eine Halbierung der Produktion von FCKW bis 1999 festgelegt hatten. Bis heute wird dieses Herstellungsverbot weltweit respektiert. Erste Erfolge zeigen sich, gleichzeitig tauchen aber auch neue Ozon-Probleme in der Stratosphäre auf.

 

Diese bis dahin in großen Mengen hergestellten FCKW reagieren in der Luft kaum mit einem anderen Stoff und steigen daher unverändert bis in die Stratosphäre auf. Dort spaltet das ultraviolette Licht der Sonne zunächst einzelne Chlor-Atome aus den FCKW ab. Diese reagieren heftig mit sehr vielen Molekülen und werden daher „Chlor-Radikale“ genannt. Unter anderem zerstören sie sehr schnell Ozon, werden dabei aber selbst nicht verbraucht. Trotzdem verschwindet die Ozonschicht in der Stratosphäre außerhalb der höheren nördlichen und südlichen Breiten normalerweise nicht, weil dort auch noch Stickoxide und bestimmte Wasserstoff-Verbindungen vorkommen. Diese aber fangen die Chlor-Radikale ab und verhindern so zum Beispiel über Mitteleuropa größtenteils den Abbau der Ozonschicht.

Ganz anders sieht die Situation im tiefen Süden über der Antarktis aus. Fallen dort in der Polarnacht im Winter die Temperaturen unter minus 78 Grad Celsius, bilden sich „polare Stratosphärenwolken“ oder nach der englischen Abkürzung PSC, aus denen die schützenden Verbindungen als Schnee zur Erde rieseln. Scheint im Polar-Frühjahr die Sonne wieder intensiver, fehlen diese Radikal-Fänger und die Chlor-Atome aus den FCKW können in einer Kettenreaktion in der betroffenen Stratosphärenschicht das Ozon komplett zerstören. „Allerdings bleiben in den Luftschichten darüber und darunter noch geringere Mengen Ozon übrig“, erklärt Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Potsdam. Daher messen Satelliten „nur“ einen Ozonverlust von sechzig oder siebzig Prozent, während in der eigentlichen Ozonschicht dieses Gas komplett verschwindet. Später im Jahr strömt aus tropischen Breiten neues Ozon Richtung Antarktis und füllt im Sommer das Ozonloch langsam wieder auf.

FCKW bleiben bis zu 180 Jahre in der Luft

Da die verschiedenen FCKW durchschnittlich 44 bis 180 Jahre in der Luft bleiben, kann sich ein solches Ozonloch auch noch viele Jahrzehnte nach dem Ende der FCKW-Produktion bilden. Erst als nach dem Beschluss von London seit dem Jahr 2000 praktisch keine neuen FCKW mehr dazu kommen und die alten ganz langsam abgebaut werden, scheint daher 2012 und 2013 zum ersten Mal das Ozonloch über der Antarktis ein wenig kleiner geworden zu sein. Um das Jahr 2070 könnte sich das Ozonloch dann ganz schließen, wobei dieser Prozess durchaus auch ein paar Jahrzehnte länger dauern könnte.

Im hohen Norden fallen die Temperaturen in der Stratosphäre dagegen normalerweise nicht so tief wie über der Antarktis. Dort schneien daher die schützenden Verbindungen normalerweise nicht aus und über dem Nordpolarmeer hat sich lange kein Ozonloch, sondern nur eine kleinere Ozon-Delle gebildet, in der bis zu dreißig Prozent der Ozonschicht zerstört waren. Am Anfang des 21. Jahrhunderts änderte sich diese Situation, weil die von der Menschheit im großen Maßstab freigesetzten Treibhausgase wie Kohlendioxid die unteren Etagen der Atmosphäre aufheizen und gleichzeitig die Stratosphäre kühlen. Diese Abkühlung ließ dann auch im Winter 2011 die schützenden Verbindungen ausschneien und im Frühjahr 2011 war es soweit: „Im hohen Norden bildete sich ein Ozonloch, das bis zum 50. Breitengrad reichte“, erklärt AWI-Forscher Markus Rex. Zum Glück geschah das nicht über dem dicht besiedelten Mitteleuropa, sondern über den nahezu menschenleeren Regionen Zentralasiens bis in die Mongolei. Das könnte bei einem durchaus möglichen weiteren Ozonloch wieder anders aussehen. Selbst die Mittelmeerländer könnten davon betroffen sein: Nach ersten Berechnungen könnte ein Ozonloch sich bis nach Griechenland ausdehnen.

Im hohen Norden ermöglicht der Klimawandel also ein neues Ozonloch. Im tiefen Süden dagegen beeinflusst das Ozonloch das Klima und kühlt so die zentralen Bereiche der Antarktis. Von deren im Durchschnitt gut 2500 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Eisflächen fließt nämlich kalte und damit schwere Luft mit hohem Tempo Richtung Meer. Diese Fallwinde werden von der Drehung der Erde abgelenkt und blasen an den Küsten der Antarktis daher im Uhrzeigersinn um den Kontinent herum. Ein gigantischer Windwirbel blockiert so die Luftmassen aus wärmeren Regionen.

Ozonschicht absorbiert das Sonnenlicht

In den höheren Schichten der Atmosphäre rotiert ein weiterer Wirbel, der mit dem unteren gekoppelt ist. Genau dort absorbiert die Ozonschicht normalerweise Sonnenlicht und wärmt dabei die Luft auf. Bildet sich nun ein Ozonloch, schwächelt diese Heizung, die Luft kühlt weiter ab und der Wirbel wird stärker. Dadurch wiederum blasen auch die Winde um die Antarktis stärker, die so der wärmeren Luft noch besser den Weg nach Süden blockieren können. Tatsächlich hat sich die zentrale Antarktis in den vergangenen Jahrzehnten leicht abgekühlt, während sich die meisten anderen Regionen der Erde in den letzten Jahrzehnten aufwärmten. Sinken die FCKW-Werte in Zukunft langsam weiter, wird weniger Ozon abgebaut und der gigantische Wirbel eisiger Luft über der Antarktis könnte sich abschwächen. Schließt sich das Ozonloch, dürften auch in der zentralen Antarktis die Temperaturen steigen.

„Andererseits wird auch der weiter gehende Klimawandel die Ozonschicht in der Stratosphäre zunehmend beeinflussen“, nennt AWI-Forscher Markus Rex einen weiteren Zusammenhang. Dieses Ozon wird in der Stratosphäre ja erst durch die ultraviolette Strahlung von der Sonne gebildet. Die aber ist in den Tropen höher als in anderen Breitengraden. Daher entsteht in den Regionen rund um den Äquator auch mehr Ozon als in den höheren Breiten weiter nördlich und südlich. Aus den Tropen strömt das einmal entstandene Ozon dann zwar nach Norden und Süden auf die Pole zu. Allerdings wird dieser Transport durch die Rotation des Planeten gebremst, die an der „dicksten“ Stelle, also am Äquator, mit einer Geschwindigkeit von 1666 Kilometern in der Stunde am schnellsten ist. Auf dem 60. Breitengrad, auf dem ungefähr die norwegische Hauptstadt Oslo liegt, ist das Tempo dagegen nur noch halb so hoch.

Die von den Tropen in diese hohen Breiten gerichteten Luftströme werden daher auf ihrem Weg sehr stark abgelenkt. Daher kommt zum Beispiel über Mitteleuropa nur ein Teil des Ozons an, das sich vom Äquator auf den Weg nach Norden gemacht hat. Mit dem Klimawandel aber wächst die Energie in der Atmosphäre und vergrößert so die Dynamik der Wettersysteme. Mehr Dynamik bringt daher auch mehr Ozon in höhere Breiten, die Ozonpumpe läuft schneller. Während das FCKW die Ozonschicht über Mitteleuropa bisher angeknabbert und um einige Prozent verringert hat, lässt der Klimawandel sie also wieder wachsen. „Noch vor der Mitte des 21. Jahrhunderts könnte die Ozonschicht daher über Mitteleuropa wieder die Dicke erreichen, die sie vor der Freisetzung von FCKW hatte“, fasst Markus Rex die wissenschaftlichen Ergebnisse vieler Modellrechnungen zusammen.

Wächst die Ozonschicht weiter, wird also das UV-Licht langsam zur Mangelware, das in unserer Haut auch das lebensnotwendige Vitamin D erzeugt. Häufigere Mangel-Krankheiten mit diesem Vitamin wären dann eine weitere „Nebenwirkung“ des Klimawandels.