Das Landratsamt soll nach dem Vorschlag eines Bürgers nun auf Antrag der FDP und der SPD prüfen, ob in dem stillgelegten Krankenhaus in Waiblingen Asylbewerber untergebracht werden können.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Der Leserbrief eines Brandschutzingenieurs aus Kernen in dieser Zeitung hat den Stein ins Rollen gebracht. Jetzt fragen sich nahezu parallel auch der örtliche FDP-Landtagsabgeordnete Jochen Haußmann sowie die Kreistagsfraktion der SPD, ob es sinnvoll ist, das leer stehende Waiblinger Krankenhaus abzureißen. Hintergrund der Überlegungen sind die enormen Probleme des Landkreises, geeignete Unterkünfte für die ihm zugewiesenen Asylbewerber zu finden.

 

Klinikgebäude verfügt über komplette Infrastruktur

Hanspeter Ruff, der sich in Kernen bürgerschaftlich unter anderem auch gegen Stuttgart 21 engagiert, kann „das Gejammere nicht verstehen“, schließlich verfüge der Kreis doch über ein Gebäude, das bestens geeignet sei, Flüchtlinge aufzunehmen. In dem nach dem Umzug in das Winnender Klinikum leer stehenden Krankenhaus in Waiblingen sei die gesamte benötigte Infrastruktur vorhanden: Sozial- und Verwaltungsräume, Küchen, Besprechungs- und Spielzimmer, ein Kirchenraum sowie ein Klassenzimmer, in dem Sprachunterricht abgehalten werden könnte. Es sei geradezu unglaublich, dass das Gebäude, das mit vielen Millionen Steuergeld gebaut und ganz aktuell ebenfalls mit Steuermillionen saniert worden sei, nun teuer abgerissen werden solle, um durch den Verkauf schnelles Geld für die Stadtkasse zu machen, findet Ruff.

Zumindest der erste Teil der Argumentation seines politisch wohl etwas anders positionierten Mitbürgers hat den Kernener Landtags- und Kreistagsabgeordneten Jochen Haußmann offenkundig stutzig gemacht. Er habe den Vorschlag bereits in der vergangenen Woche an den Landrat weitergeleitet – mit der Bitte, ihn zu prüfen und der FDP/FW-Kreistagsfraktion eine Stellungnahme zukommen zu lassen.

Fast zeitgleich zu Haußmanns Pressemitteilung über seine Weiterleitung hat auch die SPD bekannt gegeben, dass sie eine Prüfung der Krankenhausnachnutzungspläne wünsche. In einem förmlichen Antrag stellen die Genossen dazu noch drei konkrete Fragen: Welche Kosten fallen für die monatliche Überwachung des leer stehenden Krankenhauses an? Wie hoch sind die Kostenerstattungen, die der Landkreis beziehungsweise die Kommunen für die Unterbringung bekommen? Wie viele Asylbewerber werden derzeit von den kreisangehörigen Kommunen untergebracht? Mit Blick auf die Dringlichkeit der Asylbewerbersituation bitte man um eine unverzügliche Beantwortung des Antrags.

Landratsamt will Vor- und Nachteile abwägen

Das Landratsamt bestätigt auf Nachfrage lediglich den Eingang der Anfragen und die Zusage, den Vorschlag so rasch wie möglich zu prüfen. Eine Einschätzung werde man indes erst nach Abwägung aller Vor- und Nachteile abgeben.

Wie berichtet, hat die Kreisbau Waiblingen, ein Tochterunternehmen des Landkreises, die leer stehenden Areale in Waiblingen und Backnang erworben, um sie in Abstimmung mit den Kommunen zu entwickeln und zu vermarkten. Während in Backnang eine Nachnutzung im Gesundheitsbereich angestrebt wird, soll das Areal in Waiblingen für privates Wohnen, Dienstleister und Behörden nutzbar gemacht werden. In einem separaten Gebäude, das zuletzt von der Klinikverwaltung genutzt wurde, soll künftig die Grundbuchabteilung des Amtsgerichts Waiblingen einziehen. Der Umbau dafür hat bereits begonnen, die übrigen Gebäude indes sollen abgerissen werden. Um die Unterhaltskosten, die durch die Absicherung und Bewachung entstehen, so gering wie möglich zu halten, hatte man eigentlich vor, die Abrissbirne spätestens Anfang des kommenden Jahres kreisen zu lassen.

Immer mehr Flüchtlinge

Quote
Die Zuteilung von Flüchtlingen wird in Abhängigkeit von Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl vorgenommen. Für Baden-Württemberg liegt die Quote bei 12,98 Prozent, vier Prozent davon werden dem Rems-Murr-Kreis zugeordnet.

Zuweisungen
Mit 900 Flüchtlingen hat der Rems-Murr-Kreis zu Anfang des Jahres kalkuliert. Mittlerweile sind bereits 1200 Personen angekommen. Bis zum Jahresende rechnet man mit ingesamt 1500.

Kapazitäten
Rein rechnerisch kann der Landkreis zurzeit über 1216 Plätze verfügen. Standorte mit Asylbewerberunterkünften sind Waiblingen, Fellbach, Schorndorf, Backnang, Winnenden, Weinstadt, aber auch Kernen, Leutenbach, Allmersbach, Oppenweiler und Sulzbach. Nicht überall freilich können die kompletten Kapazitäten genutzt werden – etwa weil ärztliche Atteste oder ethnische Konstellationen eine Unterbringung in Sammelunterkünften unmöglich machen.

Appell
Der Landkreis hat nun insbesondere die mittelgroßen Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern aufgerufen, Gemeinschaftsunterkünfte mit mindestens 60 Plätzen bereitzustellen. In Korb und Remshalden zeichnen sich dafür Lösungen ab.

Ziemlich spät – kommentiert Frank Rodenhausen

Waiblingen - Die Frage, ob in dem leer stehenden Krankenhaus in Waiblingen Asylbewerber untergebracht werden können, ist angesichts der Kapazitätsengpässe absolut legitim, tatsächlich erscheint das Gebäude infrastrukturtechnisch geradezu prädestiniert.

Der Zeitpunkt der Anfrage indes, beziehungsweise die Antragsteller, die jetzt die Gedankenblase eines Bürgers aufgegriffen haben und sich vor der Presse damit brüsten, befremden. Die Kreisräte waren jahrelang beteiligt, als an Konzepten für eine Nachnutzung gefeilt wurde. Zuletzt hat das Gremium mehrheitlich beschlossen, die Vermarktung an die Kreisbau zu übertragen und die Gebäude so schnell wie möglich abreißen zu lassen.

Die Asylproblematik mag sich in diesem Jahr zwar verschärft haben, neu ist sie hingegen nicht. Schon seit einigen Jahren macht der Landrat darauf aufmerksam, dass es zu wenige Unterkünfte gibt.