Der Bürgermeister Werner Wölfle artikuliert seinen Unmut über rauchende Patienten und Mitarbeiter, wird aber von Geschäftsführung und Personalvertretung ausgebremst. In einer neuen Dienstvereinbarung soll das Rauchen zumindest eingedämmt werden.

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart macht sich in diesen Tagen vielerorts für den Nichtraucherschutz stark. In der sogenannten Grünflächensatzung wird ein Rauchverbot verankert, ebenso ist künftig in der zunehmend von sozialen Randgruppen als Unterstand auserkorenen Klett-Passage das Qualmen untersagt – offiziell aus Gründen des Brandschutzes. Und jetzt setzt sich auch noch Bürgermeister Werner Wölfle (Grüne) zum Ziel, die städtischen Krankenhäuser rauchfrei zu bekommen.

 

Wölfle, ehemaliger Konsument der Traditionsmarke Salem und seit rund zehn Jahren entwöhnt, stört sich wie viele andere Besucher in erster Linie an den Trauben von Rauchern in den Eingangsbereichen der kommunalen Gesundheitseinrichtungen. Im Krankenhausausschuss hat er Anfang Juni anlässlich der Inbetriebnahme von Olgahospital und Frauenklinik seinen Unmut darüber geäußert, „dass wir nicht in der Lage sind, ein rauchfreies Krankenhaus auf den Weg zu bringen“. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Silvia Fischer sagte damals, sie werde seine Bemühungen unterstützen. Auch der Leiter der Onkologie, Gerald Illerhaus, schloss sich Wölfles Aussagen im Ausschuss „voll an“. Er berichtete, es rieche auch im ganzen Treppenhaus der onkologischen Stationen nach Rauch, weil in einem kleinen Holzverschlag, der zur Abschottung gegenüber einer Baustelle errichtet wurde, Mitarbeiter ihre Sucht befriedigten.

Wölfle ärgert sich über Raucher im Eingangsbereich

Der Geschäftsführer des Klinikums, Ralf-Michael Schmitz, sowie der Personalratsvorsitzende Jürgen Lux haben mittlerweile Post von Wölfle gekommen. Darin hat er „auf das Ärgernis Raucherzone im Eingangsbereich“ des Katharinenhospitals hingewiesen und seiner Befürchtung Ausdruck verliehen, vor dem neuen Olgäle werde die nächste gebildet. Er bat „ernsthaft, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Eingangszonen von Rauchern, ob Mitarbeiter oder Patienten, zu befreien“.

Am liebsten wäre es Wölfle ja, auf dem gesamten Gelände würde nicht mehr geraucht. Man biete dort auch keine Gelegenheit zum Alkoholkonsum. Der sei sogar ausdrücklich verboten. Klar sei aber auch, dass die Verstärkung des Nichtraucherschutzes und die „Denormalisierung des Rauchens“, ein Terminus der Weltgesundheitsorganisation WHO, als Prozess betrachtet werden müsse. Zunächst hat er Schmitz aufgefordert, die Dienstvereinbarung zum Nichtraucherschutz zu kündigen. Darin war ein Rauchverbot in geschlossenen Räumen festgehalten – aber auch die „grundsätzliche Zulässigkeit“ in den Freibereichen; darunter fielen auch Balkone und Terrassen.

Vorschriften werden missachtet

An den Eingangstüren gibt es die Möglichkeit, „an geeigneten Vorrichtungen Zigaretten entsorgen zu können“, ohne dass es sich um ausgewiesene Raucherzonen handele. Man gehe ohnehin davon aus, dass nur dort gequalmt würde, wo es andere nicht störe. Für Besucher und Patienten gelte ebenfalls das generelle Rauchverbot. Verstöße seien als Ordnungswidrigkeit zu betrachten. Die Leitung sieht sich aber nicht als „Vollzugsbeamtin“. Da die Vorschriften teilweise missachtet würden, werden die Vorgesetzten aufgefordert, die Belegschaft zu sensibilisieren.

Sehr viel mehr sei aber auch in der Neufassung nicht vorgesehen, machen Schmitz und Lux deutlich. Sie wollen einen „vernünftigen Weg“ finden. Das rauchfreie Krankenhaus haben sie nicht im Fokus. Lux sagt, er kenne kein einziges, in dem nicht geraucht würde. Man könne den Beschäftigten nicht vorschreiben, was sie in ihrer Pause machten. Er verstehe die von Wölfle „an den Tag gelegte Militanz“ nicht.

„Wir leben in einer freien Gesellschaft, in der ausreichend über die Gefahren des Rauchens aufgeklärt wird“, meint Schmitz, dessen Haltung auch der klinische Direktor Jürgen Graf teilt. Um der Forderung Wölfles nachzukommen, will er aber mit dem Personalrat die Vereinbarung „nachschärfen“. Die Raucherzonen sollen auf wenige Bereiche konzentriert werden. Denkbar wären „Raucherpavillons“, wie sie Illerhaus aus Freiburg kennt. Dort sprechen die Raucher vom „geächteteten Pavillon“.

Netz Rauchfreier Krankenhäuser gibt Tipps

Derlei Isolationsmaßnahmen erachtet auch Christa Rustler vom Deutschen Netz Rauchfreier Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen (DNRfK) für sinnvoll. Diverse für ihren Einsatz ausgezeichnete Mitgliedskliniken wenden diese an. Sie hält Wölfles Initiative für sinnvoll, sagt aber auch, mit Verboten allein werde er sein Ziel nicht erreichen. Sie verweist auf die Konzepte ihres Netzes, denen weniger ein ordnungspolitischer als ein medizinisch-therapeutischer Ansatz zugrunde liegt. Ihre Mitglieder nutzen für Information und Aufklärung den Umstand, dass Kranke eher für Raucherentwöhnungsprogramme empfänglich seien, vor allem, wenn sie mehrere Tage im Bett verbringen müssten.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung weist in ihrer Aktion „Rauchfrei in die Zukunft – Krankenhäuser machen es vor“ auf die Verantwortung von Kliniken hin. Sie betont auch, dass langfristige Strategien Vorrang vor radikalen Lösungsversuchen haben müssten. Genauso wichtig sei „die Förderung des Rauchstopps“. Patienten müssten aktiv über die Gefahren informiert und dem Personal Angebote zur Raucherentwöhnung unterbreitet werden. Informationstage, Tabakentwöhnkurse, Schulungen zur Rauchberatung und ein Arbeitskreis „Rauchfrei“ werden als Bestandteile der Strategie genannt.

Quoten
In Deutschland raucht fast jeder dritte Erwachsene. Die Rauchquoten des Pflegepersonals liegen mit 40 Prozent über dem Durchschnitt, 20 Prozent der Ärzte rauchen. 30 bis 40 Prozent aller Raucher wollen aufhören.

Haupttodesursache
Jährlich sterben 110 000 bis 140 000 Menschen an den Folgen ihres Nikotinkonsums. Rauchen ist laut Gesundheitsministerium die größte vermeidbare Ursache von schweren Erkrankungen und vorzeitigen Todesfällen. Die Empfehlung und Hilfe zum Rauchstopp ist nach Auskunft der Drogenbeauftragten Marlene Mortler die wirksamste und kosteneffizienteste Empfehlung, die Gesundheitsberufe geben können.

Therapien
Die Abhängigkeit verhindert oft einen Rauchstopp aus eigener Kraft. Hier helfen mehrwöchige Entwöhnungskurse, in denen Motivationssteigerung und medikamentöse Unterstützung im Vordergrund stehen. Am Klinikum Stuttgart in der Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkrankheiten (Türlenstraße 22a) und der Praxis für Raucherberatung und Tabakentwöhnung (Königstraße 10) gibt es regelmäßig Kurse zur Tabakentwöhnung.