Die vor einer Woche vorgestellte Studie zu den ersten geklonten menschlichen Embryonen enthält offenbar Fehler. Bisher ist noch unklar, wie schwer diese Mängel wiegen. Die Fachkollegen sind beunruhigt.

Stuttgart - Stammzellforscher erleben gerade ein Déjà-vu der unangenehmen Art. „Sag, dass das nicht wahr ist!“ Mit diesem Ausruf beschreibt Paul Knoepfler von der Universität Kaliforniens die Reaktionen seiner Kollegen. Auch er fühlt sich offenbar an eine Studie erinnert, die der südkoreanische Forscher Hwang Woo Suk im Februar 2004 veröffentlichte. Ihm sollte es als erstem gelungen sein, menschliche Embryonen zu klonen und daraus Stammzellen zu gewinnen. Doch obwohl Hwang mehr als 2000 Eizellen verwendet hatte, war er in keinem Fall erfolgreich. Anderthalb Jahre später flog der Schwindel auf.

 

Nach dieser Vorgeschichte war für viele Wissenschaftler ausgemacht, dass die nächste Präsentation dieser Art besonders gründlich geprüft werden würde. Eine solche Panne sollte sich die Wissenschaft kein zweites Mal erlauben. Das erklärt die Unruhe, die sich nun unter Stammzellforschern breit macht. Denn eine Studie, in der ein Team um den US-Forscher Shoukhrat Mitalipov vor einer Woche vorführte, woran Hwang gescheitert war, enthält offenbar einige Fehler. Mitalipov hat sie gegenüber dem Wissenschaftsmagazin „Nature“ rasch eingeräumt: Es seien Flüchtigkeitsfehler, die das Ergebnis der Studie nicht in Zweifel zögen. Er bleibe dabei, dass die geklonten Stammzellen existierten. Er habe sie persönlich hergestellt.

„So etwas darf grundsätzlich nicht passieren.“

Auf den Fehler hingewiesen hat ein anonymer Forscher auf der Internetplattform PubPeer, auf der Fachartikel kommentiert werden können. Der Forscher mit dem Namen „Peer 1“ nennt drei Bilder, die je zweimal an unterschiedlichen Stellen im Fachartikel auftauchen. Sie seien für die zweite Verwendung zum Teil beschnitten worden und sollen jeweils etwas anderes zeigen. Ein Beispiel sind die beiden oben abgebildeten Mikroskopaufnahmen von Stammzellkolonien: Sie sind beide mit der Buchstabenkombination „hES“ beschriftet, was für humane embryonale Stammzellen steht; die linke Kolonie heißt 7, die rechte NT1. Das Bild der Kolonie NT1 taucht ein weiteres Mal in der Arbeit auf, allerdings unter dem Namen der Kolonie 7. Mitalipov zufolge ist aber nur die Beschriftung vertauscht worden; die beiden gleichen Bilder sollen beide die Kolonie 7 zeigen. In einem weiteren Fall sei der falsche Datensatz für ein Schaubild herangezogen worden, die dritte Dopplung sei hingegen Absicht.

Auch in Deutschland sind Stammzellforscher irritiert. „So etwas darf grundsätzlich nicht passieren“, sagt Oliver Brüstle vom Life & Brain Center in Bonn. Er fordert, dass die Fachzeitschrift „Cell“ und womöglich ein unabhängiger Gutachter die Originaldaten aus dem Labor Mitalipovs noch einmal prüfen. Welche Konsequenzen die Fehler haben, will Brüstle noch nicht abschätzen: „Ob sich Grundsätzliches an der Hauptaussage des Manuskripts ändert, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht voraussagen“, sagt er.

Ein weiteres Detail der Studie Mitalipovs bekommt nun ein besonderes Gewicht: Die Gutachter des Fachjournals „Cell“ haben den Artikel offenbar besonders schnell geprüft. Am Ende des Fachartikels sind, wie es in der Wissenschaft üblich ist, die entscheidenden Daten vermerkt. Demnach soll Mitalipov die Studie erst am 30. April 2013 eingereicht haben. Bereits am 3. Mai wurde sie vom Fachjournal angenommen. Nach Angaben der Pressesprecherin der Fachzeitschrift ist Mitalipovs Arbeit dennoch „gründlich“ begutachtet worden. Wegen der Bedeutung der Studie hätten die Gutachter ihr höchste Priorität eingeräumt. Langsame Gutachten seien nicht automatisch die gründlichen. Von einer Überprüfung war vorerst nicht die Rede.