Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche ist das Eis dünn geworden – auch für den Sindelfinger Oberbürgermeister. Die Situation im Busverkehr ist verfahren.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Eigentlich stehen nur in Böblingen die Zeichen auf rot: Die Hinweisschilder am Oberen See und am Ganssee sind gedreht worden. „Das Eis schmilzt dahin“, teilte die Stadtverwaltung am Montag leicht wehmütig mit. Bei traumhaftem Winterwetter sei eine komplette Woche Eisvergnügen angesagt gewesen, heißt es in der Mitteilung weiter: „Schön war’s!“ Nun ist die Eisdecke brüchig geworden und auf den Schildern steht wieder „Betreten verboten“. Das Tauwetter habe voll eingesetzt.

 

Politisch gesehen ist die Frostperiode allerdings noch nicht überstanden. Zwar ist das Tauwetter die Zeit, in der es zwischen zwei Staaten (oder Städten) wieder bessere diplomatische Beziehungen und freundlichen Austausch gibt. Tatsächlich haben sich die erhitzten Gemüter der beiden Rathauschefs wieder abgekühlt. Aber für Bernd Vöhringer ist die Kuh noch nicht vom immer dünner werdenden Eis. Vor der entscheidenden Sitzung am Mittwoch zum Dauerbrenner-Thema Buskonzept war sogar von einem Straftatbestand die Rede: „Eigentlich fühle ich mich erpresst“, klagte der Grüne Stadtrat Hans Grau in der vierten von fünf Abstimmungsrunden.

Ein empfindliches Übel

Laut Paragraf 253 des Strafgesetzbuches handelt es sich bei der Erpressung zwar um ein Vermögensdelikt, das aber auch die Entscheidungsfreiheit des Opfers einschränkt. Nun müssen die Sindelfinger Stadträte zwar nur politisch für ihre Zustimmung oder Ablehnung zum neuen gemeinsamen Buskonzept mit Böblingen bezahlen. Die Entscheidung ist ihnen allerdings ziemlich abgenötigt worden. Während das Thema im Böblinger Gemeinderat seit März mehrere Runden drehte, muss es in Sindelfingen jetzt im Schnelldurchlauf erledigt werden. Vor dem Gesetz gilt entweder Gewalt oder die Drohung mit einem empfindlichen Übel als Nötigung. Und der Landrat könnte mit seiner Ankündigung, bei einer weiteren Sindelfinger Verspätung nur das Basisangebot von 1,847 Millionen Buskilometern auszuschreiben, statt der gewünschten 2,6 Millionen Kilometer, durchaus als solch ein empfindliches Übel angesehen werden. Als Träger des Nahverkehrs muss der Kreis sämtliche Linien am Ende vernetzen. Im Prinzip hat Hans Grau mit seiner Klage also recht.

Ein ungewöhnliches Naturphänomen

Damit könnte sich in Sindelfingen ein ungewöhnliches Naturphänomen abspielen – der Oberbürgermeister bricht trotz eisigen Klimas mit seiner Politik der kurzfristigen Planung ein. So ein Untergang geht schnell – auch wenn man zweieinhalb Jahrzehnte lang immer Oberwasser hatte, wie Daniel Wengenroth nun in Böblingen erleben musste. Der Freie-Wähler-Stadtrat und ewige Vereinsmeister bei der Sportvereinigung Böblingen im Schwimmen ist am Wochenende entmachtet worden: Robin Neumann heißt der 19-jährige Champion, der dem mehr als doppelt so alten Abteilungsleiter davon geschwommen ist. Die Niederlage nimmt Wengenroth laut Bericht der Lokalzeitung trotzdem locker. Typisch für einen Politiker ist ihm vor allem wichtig, dass er Geschichte geschrieben hat: Sein Vierteljahrhundert als Vereinsmeister nannte er „eine ordentliche historische Zahl“, die ihm so schnell niemand streitig machen wird.

Der Sportler hat übrigens den gleichen Fehler wie Sindelfingens OB: Daniel Wengenroth züchtete sich seinen Bezwinger quasi selbst heran, indem er ihn drei Mal die Woche trainierte. Zumindest in den vergangenen Wochen nun hat sich die Sindelfinger Stadtverwaltung genau so oft mit dem Buskonzept befasst.