Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche herrschen im Kreis fast paradiesische Zustände: Sogar die Wasserwerte sprechen endlich eine andere Sprache.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Herrenberg - Herrenberg traut sich wieder was! Nachdem das Naturfreibad offenbar endlich reibungslos funktioniert, hat die Stadtverwaltung auch anderweitig wieder Mut zu innovativer Technik. „Guter Dinge“ sei er mit dem Sorgenkind der vergangenen zwei Jahre, verkündete Thomas Sprißler kürzlich beim Bürgergespräch. Die Wasserwerte sprächen seit dem Filtersubstratwechsel eine andere Sprache als zuvor. Ob sie von Kauderwelsch auf Englisch umgestiegen sind, verriet er leider nicht. Aber der Oberbürgermeister übersetzte sie mit „hervorragend“.

 

Prompt folgt die Mitteilung, dass sich Herrenberg an ein weiteres Bewässerungssystem wagt – ähnlich ambitioniert wie das Naturfreibad. „Dank der flexiblen Steuerung wird die Wassermenge auf das Wachstum der Blumen und auch auf die sommerlichen Temperaturen abgestimmt“, erklären die Technischen Dienste der Stadt. Bisher mussten deren Mitarbeiter nämlich mit Hubsteiger und Gießkanne dreimal pro Woche mehrere Stunden lang das Wasser zu den Blumenkästen an Rathaus und Bürgeramt tragen. Wenn das neue System für die Herrenberger verständlich ist, ist der „leuchtend bunte Blumensommer“ am Marktplatz von jetzt an programmiert.

Eine schöne Verklärung durc hden Walhkampffilter

Viel einfacher zu verstehen als die Wasserwerte des Naturfreibads war dagegen Thomas Strobl. Seine Worte erhalten derzeit durch den Wahlkampffilter eine schöne Verklärung. „Der Landkreis Böblingen ist nicht das Paradies, aber fast“, sagte der Landesinnenminister nach einer Visite in Böblingen und Ehningen. Archäologen und Altphilologen hätten dem Christdemokraten zwar vehement widersprochen. Ihrer Berechnung nach kann der Garten Eden nicht an der A 81 liegen, sondern muss im Iran, im Irak oder in Israel verortet werden. Dafür hat es der Politiker mit anderen Fakten ganz genau genommen: Als „bodenständig, weltoffen und zukunftsfroh, ja sogar mutig“ charakterisierte er die Kreisbewohner.

In Herrenberg hat die Frauen-Union mit Marc Biadacz Tacheles geredet. Von den Rosen, die der CDU-Bundestagskandidat im Böblinger Stadtgarten gepflanzt und am Muttertag verschenkt hat, haben sich die Damen offenbar nicht becircen lassen: „Persönliche Dinge, wie die Herkunft und Sprechweise des Namens oder Hobbys und Lieblingsspeisen wurden hinterfragt“, heißt es in dem Bericht der CDU-Frauen von der Veranstaltung mit dem vielversprechenden Titel „Who is Marc Biadacz?“. Anders als die Wasserwerte des Naturfreibads hat sich der Kandidat aber nicht ausquetschen lassen: Aus der seitenlangen Mitteilung gehen keinerlei Details zu seinen Ernährungsgewohnheiten und Freizeitbeschäftigungen hervor.

Der Oberbürgermeister spricht die Sprache des Volkes

Ob es am Turmbauprojekt im Herrenberger Schönbuch liegt, dass es im Kreis mit der Kommunikation hapert? Diese Form der Selbstüberhebung (30 Meter in den Himmel) hat schließlich andernorts zu unüberwindbaren Verständigungsschwierigkeiten und einem totalen Baustopp geführt. Der ehemalige Koalitionspartner der CDU hat jedenfalls die Problematik entdeckt:. „Unsere deutsche Sprache – ein Fundament der Freiheit“, lautete der Titel des Festvortrags, mit dem vergangene Woche Heide Berroths 70. Geburtstag gefeiert wurde. In der Rede ging es darum, dass die gemeinsame Sprache eine wichtige Basis für gesellschaftlichen Diskurs über die richtigen politischen Wege sei.

Der parteilose Thomas Sprißler kann die Theorie derzeit eindeutig am besten in die Praxis umsetzen. Beim Bürgergespräch in Herrenberg wollte ein Teilnehmer wissen, was „dieser komische, ominöse Turm bringe, außer mehr Verkehr und weniger Landschaft“? Der Oberbürgermeister verzichtete auf paradiesische Vergleiche und setzte auf Argumente, die das Volk nachvollziehen kann: Er erwartet Tagestouristen, die laut Statistik 23 Euro in ihrer Zielkommune liegen lassen. Dank hervorragender Wasserwerte und des leuchtend bunten Blumensommers vielleicht sogar ein paar Cent mehr.