In der „Schlitzaugen“-Affäre von Günther Oettinger ist bereits alles gesagt – nur noch nicht von jedem. Jetzt gibts Rückendeckung von der CDU aus Besigheim.

Besigheim - Jetzt dürfte Günther Oettinger endlich wieder ruhig schlafen können. Nachdem der derzeitige EU-Digital-Kommissar und baldige Haushalts-Kommissar ein Milliarden-Volk in einer Rede als „Schlitzaugen“ beleidigt hatte, kommt nun Entlastung aus seiner Heimat, dem Kreis Ludwigsburg. Der Stadtverband der CDU von Besigheim und Umgebung hat in einer Pressemitteilung dem ehemaligen Ministerpräsidenten demonstrativ den Rücken gestärkt. Man solle lieber „um bessere Politik streiten, nicht um Begrifflichkeiten“, heißt es darin.

 

Leider liegt der Pressemitteilung keine englische Übersetzung bei. Zum Zwecke der Völkerverständigung formulieren wir hier deren Kernaussage in einem Englisch, das selbst unser schwäbischer Tausendsassa in Brüssel nicht besser formulieren könnte: „The Kommissar becomes the back stronged.“

Der Zusammenhang zwischen Redefreiheit und Giftstoffen

Wir glauben, dass dies nötig ist, denn seine öffentliche Entschuldigung in Rumänien, er habe einfach „frei von der Leber“ gesprochen, haben die Chinesen wohl nicht verstanden. Ihnen ist der Zusammenhang zwischen freier, jedoch unreflektierter Meinungsäußerung und einem Giftstoffe filternden Organ weitaus weniger geläufig als dem leutseligen Politiker aus Ditzingen. Auch der passendere Begriff für Oettingers Verbalausfälle ist in China kulinarisches Neuland: Leberkäse.

Gut, dass die Besigheimer CDU da noch mal klarstellt: Der Schwabe Oettinger spreche „eine klare Sprache“ und „die Leute verstehen ihn“, heißt es in der Pressemitteilung. Wir lassen das eine oder andere Video, in dem Oettinger Reden auf Englisch hält, dabei mal außen vor. Er selbst hat nach seiner EU-Nominierung 2009 gesagt: „Ich bin in Englisch, was das Gespräch angeht, sehr sicher.“ Das viel schwierigere Ablesen von Reden vom Blatt klappt da offenbar noch nicht so gut.

Schwäbisches Eigenmarketing

Oettinger hat sein Handicap einmal charmant zu einem kostengünstigen Erfolg in der Selbstvermarktung umgemünzt: „Ich hätte Geld ausgeben müssen für Anzeigen ohne Ende. Ich habe so kostenfrei einen hohen Bekanntheitsgrad bekommen“, sagte er gegenüber der ARD. Ganz der Schwabe eben.

Wie gut Oettinger darin ist, Leute berühmt zu machen, hat neulich auch der Kirchengemeinderat in Biberach erfahren können. In klarer und verständlicher Sprache empfahl der Kommissar, in Sachen Ceta mal dort nachzufragen. Prompt stand dort die „Süddeutsche Zeitung“ zum Interview auf der Matte. Ob die Landkreis-CDU es Oettinger verübelt hat, dass er nicht sie als Verhandlungspartner empfohlen hat? Bei einem derart weitreichenden Freihandelsabkommen wie Ceta gilt doch: „We are all sitting in one boat.“

Nichts als Schweigen dazu aus Besigheim. Stattdessen das Lamento, dass Jan Böhmermann für seine abfälligen Worte in der Causa Erdogan von den Medien gefeiert werde, Oettinger aber für seine „pointierte Rede nun geächtet werden“ soll.

Haben wir etwas verpasst? Ist Oettinger ein Satiriker, für den es andere Grenzen des Sagbaren gibt als für Politiker? Das würde manchen Auftritt erklären. Die Erkenntnis fällt uns wie ein Teesieb von den Augen.