Von April bis Juni konnte Daimler den Absatz steigern und beim Umsatz noch stärker zulegen. Doch trotz der Erfolge wird es für Daimler immer schwerer, die selbst gesetzten Ziele zu erreichen, kommentiert StZ-Redakteur Michael Heller.

Stuttgart - Mit so viel Schwung war Mercedes selten unterwegs. In den Monaten April bis Juni ist der Absatz gestiegen, der Umsatz hat noch stärker zugelegt, und der Gewinn liefert mit einem Plus von fast einem Drittel die Krönung. Die Stuttgarter haben gegenwärtig zweifellos den lang ersehnten Rückenwind und können stolz auf ihre Leistung sein. Gleichwohl gönnt das Management um Vorstandschef Dieter Zetsche der Belegschaft auf dem Weg zum angestrebten Weltmeistertitel im Topsegment des Automarkts keine Pause: „Wir sind voll im Plan“, sagt er, „aber wir können noch mehr.“

 

Zetsche will Daimler bis 2020 zur Nummer eins machen, und das bedeutet, dass BMW und Audi überholt werden müssen. Diese Wettbewerber zeigen aber bisher keine Schwäche und können Daimler auf Distanz halten. Mit seiner Premiummarke Mercedes hat Daimler auch das eigene Renditeziel von zehn Prozent Gewinn vor Steuern gemessen am Umsatz noch nicht erreicht, trotz eines Kostensenkungsprogramms, das parallel zum Ausbau des Geschäfts mit immer neuen Modellen gefahren wird – ein wahrer Kraftakt. Jetzt wird die Luft dünner. Die Börse erwartet, dass Zetsche Programme auflegt, mit denen der Konzern sein selbst gesetztes Ziel erreicht.

In den Fabriken läuft die Produktion auf Hochtouren, auch im Sommer geht es ohne Pause weiter. Das Unternehmen braucht alle Mitarbeiter an ihrem Platz. Da ist die Bereitschaft der Menschen naturgemäß nicht besonders ausgeprägt, immer wieder neue Sparprogramme mitzutragen, damit der Gewinn – und in der Folge davon auch die Vorstandsvergütungen – steigt. Dass sich das Management nicht die geringste Mühe macht, den Beschäftigten zu erklären, welche Rationalität hinter der Renditehatz steckt, erleichtert die Sache nicht. Die Verneigung vor der Börse ist offenbar für den Vorstand eine Art Selbstzweck geworden. Warum eigentlich? Die Welt ist in den Zeiten faktisch abgeschaffter Zinsen voll von Kapital, das nicht weiß wohin, und dankbar ist für jede solide Geldanlage, die ein paar Euro abwirft. Es ist an der Zeit, dass sich große, solide Konzerne wie Daimler vom Renditediktat befreien.

Weitere Kostensenkungen sind kaum zu erwarten

Zetsche hat bei der Telefonkonferenz zur Erläuterung der Quartalszahlen zumindest vorsichtig angedeutet, dass weitere schnelle Kostensenkungen kaum zu erwarten sind; es geht um Strukturen, die nur langfristig verändert werden können. Diese Unterscheidung ist vernünftig. So macht es zum Beispiel durchaus Sinn, das eigene Mercedes-Vertriebsnetz auf seine Rentabilität hin zu überprüfen. Dabei geht es aber nicht nur um nackte Zahlen, sondern auch um den Wert, also die – im Zweifel nicht messbaren – Vorteile einer eigenen Organisation, und um die Mitarbeiter.

Weiteres Potenzial sieht der Chef in der Kooperation mit anderen Konzernen; in solchen Projekten sollen über große Stückzahlen die Kosten pro Einheit sinken. Betriebswirtschaftlich ist das sinnvoll, für einen Premiumhersteller wie Daimler aber heikel. Eigentlich würde es die Logik gebieten, bei Teilen, die der Kunde nicht sieht und die ihn nicht interessieren, mit der unmittelbaren Konkurrenz zusammenzuarbeiten. Mit BMW sind in der Vergangenheit ebenso lange wie erfolglose Gespräche geführt worden. So bleiben nur Autobauer wie Renault-Nissan, die aber eine Liga weiter unten spielen. Das Projekt mit Nissan in Mexiko, wo in einer gemeinsamen Fabrik unterschiedliche Autos mit zusammen entwickelten Komponenten gebaut werden sollen, wird zeigen, ob solchen Vorhaben die Zukunft gehört. Für Daimler muss immer entscheidend sein, dass ein Auto auf die Straße kommt, das als eigenständiger Mercedes wahrgenommen wird. Für einen Klon zahlt niemand Aufgeld. Zetsche sollte sich also die Zeit nehmen, sorgfältig zu analysieren, was Daimler hilft und was nicht – unabhängig von der Geduld der Börse.