Eine gekonnte Inszenierung der Heiligsprechung beschert Gläubigen die Party des Jahres. Doch soll genau der Mann, der ein extrem konservatives Kirchenbild prägt, auf diese Art gefeiert werden? Diese Frage stellt sich Michael Trauthig in seinem Kommentar.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Stuttgart - Das muss man dem Vatikan lassen: er versteht es, den römisch-katholischen Glauben zu inszenieren, ihn öffentlich zur Schau zu stellen, damit weltweit Aufmerksamkeit zu erregen und so ein wenig PR in eigener Sache zu machen. Zwei lebende Päpste haben unter den Augen der internationalen Medien an der Heiligsprechung zweier verstorbener Kirchenoberhäupter mitgewirkt. Allein diese Tatsache verleiht dem Vorgang durch seine Einzigartigkeit eine historische Dimension. Gleichwohl bleibt das Geschehen auch aus innerkirchlicher Perspektive fragwürdig.

 

Zum einen scheint es so, als würden die Verfahren kirchenpolitisch instrumentalisiert, denn bei Johannes Paul II. wurde die Prozedur in Rekordgeschwindigkeit abgewickelt. Er steht aber – bei allen sonstigen Verdiensten – für eine rigide Sexualmoral, die Maßregelung von Kritikern im Klerus und eine traditionalistische Frömmigkeit – kurz für ein weitgehend konservatives Kirchenbild. Zum anderen ist es widersprüchlich, dass ausgerechnet Franziskus zwei seiner Vorgänger heiligspricht. Denn damit befeuert der Argentinier, der den Personenkult um den ersten Mann im Vatikan eigentlich mildern möchte, erst die Verklärung der Päpste. Zwar liefen die Verfahren schon, als Bergoglio ins Amt kam. Dass er sie auf diese Weise weiterführte, zeigt aber, dass sein Reformwille Grenzen hat.