Angehörige der Terrormiliz Islamistischer Staat haben erneut einen US-Journalisten enthauptet: Steven Sotloff. Die westlichen Staatsführer reagieren hilflos, weil sie dieser Propaganda kaum etwas entgegensetzen können, meint StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die zunehmenden kriegerischen Konflikte weltweit bergen die Gefahr, dass der Betrachter abstumpft – dass er sich kaum noch befassen mag mit den täglichen Gräueltaten vielerorts. Beispielsweise terrorisiert Syriens Diktator Baschar al-Assad seine Bevölkerung weiter mit Fassbomben – doch wer schaut da noch hin? Nun aber gehen via Internet Bilder um die Welt, deren Wirkung sich niemand mehr entziehen kann: Die Enthauptung auch des zweiten amerikanischen Journalisten in kurzer Zeit durch Verbrecher des sogenannten Islamischen Staates löst eine weitere Schockwelle aus. Die Mörder von Steven Sotloff und James Foley haben ihr Ziel schon erreicht: die Angst des Westens zu steigern. Sie werden wohl, ermutigt von der Resonanz, weiter nach diesem archaischen Muster verfahren.

 

Das Köpfen ist in der Menschheitsgeschichte altbekannt und zudem eng verbunden mit der islamischen Lehre. Verurteilten in Saudi-Arabien wird heute noch offiziell der Kopf abgeschlagen. Doch gehören Enthauptungen auch zur europäischen Geschichte: Einst kamen Adelige so zu Tode. Schon vor Jahren ist die barbarische Praxis in Afghanistan sowie Pakistan wiederaufgelebt. Begünstigt von Twitter und der Videoplattform Youtube gelingt einigen IS-Kämpfern nun jedoch die wirkungsvolle Inszenierung ihrer Bluttaten.

Nicht die Bluttat ist das Ziel – sondern ihre Verbreitung

Sowohl Sotloff als auch Foley wurden zur Schau gestellt: In orangefarbener Kleidung, wie sie die Häftlinge auf Guantánamo tragen, mussten sie vor der Hinrichtung niederknien. Danach wird das Spiel mit dem Entsetzen besonders deutlich: Der Kopf wird wie eine Trophäe hergezeigt. Doch nicht die grausame Tat ist der Zweck, sondern ihre mediale Verbreitung. Sie korrespondiert mit dem vorherigen öffentlichen Flehen der Angehörigen um das Leben der Opfer. So bekommen diese einen Namen und ein Gesicht – ein sympathisches Gesicht wie das von Sotloff und Foley. Wenn als nächste Geisel, wie angedroht, tatsächlich ein Brite enthauptet wird, dürfte dies die Betroffenheit in Europa weiter steigern. Und wie wird die Reaktion ausfallen, wenn ein Deutscher so bestialisch ermordet werden sollte? Vermutlich werden wir darauf nicht vorbereitet sein.

Mit der persönlichen Ansprache des US-Präsidenten versuchen die Schlächter der amerikanischen Journalisten, Barack Obama für deren Tod direkt verantwortlich zu machen. Insofern bergen die Inszenierungen auch eine politische Brisanz, weil sie die ganze Ratlosigkeit des Präsidenten und anderer Staatenlenker vor Augen führen. Obama könnte wie die Franzosen hohe Lösegelder zahlen, um neue Enthauptungen zu verhindern, will sich aber nicht offen als erpressbar erweisen. Zumal neue Entführungen von westlichen Hilfskräften oder Journalisten jederzeit möglich sind.

Obama wird tiefer in die Kriege hineingezogen

Aber selbst wenn noch mehr Geld fließt, werden sich die IS-Mörder ihr Instrument der maximalen Provokation nicht nehmen lassen. Obwohl von relativ wenigen Terroristen herausgefordert, können die westlichen Regierungen da nur verlieren. Gegen die Macht der Schreckensbilder, verbreitet über soziale Medien, kommen sie nicht an. Einmal mehr erweist sich Emotion in der Bevölkerung als politischer Faktor. In den USA wird der Ruf nach verstärkter militärischer Einmischung im Irak und in Syrien lauter. Obama wird, ob er will oder nicht, immer tiefer in die Kriege hineingezogen. Diese Resonanz ist ganz im Sinne der IS, die trotz geringer technischer Mittel letztendlich die globale Eskalation anstrebt.

Noch mehr Gewalt würde deren perfide Geisteshaltung nicht beseitigen, sondern schüren. Nötig wären daher eher eine vernunftgesteuerte Politik, die der Terrormiliz den Boden beim Anhang entzieht, und allenfalls begrenzte Militäraktionen. Somit wird die Welt derlei islamistische Propaganda weiter ertragen müssen – so abscheulich die Bilder auch sein mögen.