Der Karstadt-Konzern wechselt wieder einmal den Besitzer: Berggruen geht, Benko kommt. Doch auch mit dem neuen Eigentümer wird bei Karstadt keine Ruhe einkehren, befürchtet der StZ-Redakteur Thomas Thieme.

Stuttgart - Unter dem Dach des Alsterhauses in Hamburg lässt sich noch ein Stück heile Karstadt-Welt bestaunen. Mit Blick auf Jungfernstieg und Alster erholt sich die kaufkräftige Kundschaft bei einer Tasse Kaffee oder beim Mittagessen vom Einkaufsbummel. Schlemmereien aus aller Welt sind dort oben genauso exklusiv und sorgfältig arrangiert wie die Kleider in den vier Etagen darunter. Aus der Perspektive eines Stuttgarters wirkt das Ganze wie eine Mischung aus Breuninger, Café Planie und Markthalle. Preise spielen beim Einkaufserlebnis in historischer Bausubstanz kaum eine Rolle, schon gar nicht, wenn die Gäste für ihre Shoppingtour extra aus Russland oder einem Golfemirat angereist sind.

 

Karstadt verfolgt dieses Konzept neben dem Alsterhaus auch im Oberpollinger in München und im KaDeWe in Berlin. Die drei Premium-Kaufhäuser sind Aushängeschilder des Handelskonzerns, den der jüdische Kaufmann Rudolf Karstadt 1881 als „Tuch-, Manufactur- und Confectionsgeschäft Karstadt“ in Wismar begründet hat. Als der Österreicher René Benko, bereits Besitzer der drei genannten Immobilien, vor einem Jahr die Mehrheit des Anteile an der Premiumsparte und den 28 Karstadt-Sport-Filialen übernommen hatte, machte er bereits deutlich, dass er große Sympathien für Luxuskaufhäuser hegt: In Deutschland gebe es dafür noch andere Standorte, „die wir entwickeln wollen“.

Es ist höchste Zeit für eine klare Strategie

Nun ist die Stunde gekommen, in der der Österreicher und seine Mannschaft das Vorhaben angehen können. Sie haben eine faire Chance verdient. Von kommender Woche an werden alle Teile des ins Trudeln geratenen Konzerns wieder in einer Hand sein: in Benkos. Er, beziehungsweise die finanzstarken Geldgeber im Hintergrund, haben die nötigen Mittel. Die Signa-Gruppe hat Benko zufolge auch das Know-how und, wie seit Freitag bekannt ist, die feste Absicht, den Konzern operativ zu führen. Eine tragfähige Sanierungsstrategie soll zügig verabschiedet und umgesetzt werden, kündigte die Immobilien-Gruppe an.

Es ist höchste Zeit, denn die Beschäftigten warten nun schon seit vier Jahren auf diese Strategie. Sie haben mit Gehaltsverzicht ihren Beitrag geleistet, dass Karstadt als Ganzes noch am Leben ist, Gewerkschafter sprechen von 650 Millionen Euro.

Entlassungen werden nicht abzuwenden sein

Ein vierjähriges Kapitel geht zu Ende, das aus Sicht des bisherigen Mehrheitseigentümers Nicolas Berggruen gar nicht so schlecht gelaufen ist. Jedenfalls, so verlautete aus dem Umfeld des deutsch-amerikanischen Kunstsammlers, mag sich dieser keinen Vorwurf machen. Schließlich habe er seine Zusagen erfüllt: die 83 Standorte erhalten, die Beschäftigungsgarantie bis 2012 erfüllt und 400 Millionen Euro in die Modernisierung der Warenhäuser gesteckt. Was in dieser schöngefärbten Darstellung fehlt, sind drei andere Fakten. Erstens: Die 400 Millionen Euro stammten aus dem laufenden Betrieb der Häuser oder von Signa, Berggruen hat kein eigenes Geld in den Konzern gesteckt, den er 2010 für einen symbolischen Euro übernommen hatte. Zweitens: Während seiner Zeit wurden knapp 2000 Arbeitsplätze abgebaut. Drittens: Statt ihnen den Rücken zu stärken, hat Berggruen weder den Geschäftsführer Andrew Jennings noch dessen Nachfolgerin Eva-Lotta Sjöstedt ausreichend unterstützt und so beide vergrault.

Die Schließung von Häusern und Entlassungen werden nicht abzuwenden sein. Gut möglich, dass Benkos nächste Investitionen in die Abfindungen von betriebsbedingt gekündigten Mitarbeitern fließen. Ein anderer vom Österreicher überlieferter Gedanke weckt allerdings die Erwartung, dass ein Kahlschlag vermieden wird: In die Immobilien könnten auch andere Händler als Mieter einziehen und das Personal weiterbeschäftigen. Ein Hoffnungsschimmer? Vielleicht. Nach ruhigeren Zeiten für eines der ältesten Handelsunternehmen des Landes klingt das aber nicht.