Die VfB-Spitze verbaut sich die Chance mit dem Trainer Thomas Tuchel, weil ihr zwei starke Kräfte im Sportbereich zu viel sind – ein Fehler.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Es ist höchste Zeit für die Zukunft. Das wissen alle beim VfB Stuttgart. Weshalb sich die Clubspitze neu aufgestellt und den Sportvorstand Robin Dutt zu ihrer Frontfigur erkoren hat – mit dem klaren Auftrag, den Fußball-Bundesligisten wieder nach vorne zu bringen. Das ist gut, aber noch besser wäre es gewesen, ihn auch mit dem unmissverständlichen Auftrag auszustatten, den bestmöglichen Trainer für das VfB-Projekt zu verpflichten, der auf dem Markt verfügbar ist: Thomas Tuchel.

 

Auch das wissen viele beim VfB. Zumal der umworbene Fußballlehrer seine Bereitschaft signalisiert hat, in Stuttgart etwas aufbauen und bewegen zu wollen. Eine Verpflichtung wäre sowohl als Zeichen nach innen als auch nach außen verstanden worden. Seht her: wir haben ein außergewöhnliches Duo auf der sportlichen Kommandobrücke installiert, den strukturierten und gelassenen Manager Robin Dutt plus den ebenso strukturierten sowie leidenschaftlichen Chefcoach Thomas Tuchel.

Zwei starke Typen sind dem VfB offensichtlich einer zu viel

So aber hinterlässt die Vereinsführung um den Präsidenten Bernd Wahler und den Aufsichtsratsvorsitzenden Joachim Schmidt einmal mehr den Eindruck von Schwäche. Denn zwei starke Typen sind ihr offensichtlich einer zu viel. Doch um den verfahrenen VfB-Karren aus dem Dreck zu holen, kann es nicht genug Kompetenz und Kraft geben. Dabei ist Dutt die Entscheidung gegen das Modell mit Tuchel am wenigsten anzulasten. Er hat sich in Alexander Zorniger einen Mann nach seinem Gusto gesucht, mit der Perspektive auf eine gemeinsame Entwicklung, egal in welcher Liga.

Es ist aber auch klar, wer bei der Rollenverteilung Big Boss-Little Boss in Stuttgart den großen Chefposten besetzt: Dutt. Eine Konstellation mit Tuchel wäre da spannungsgeladener. Das haben Wahler und Schmidt im vergangenen Herbst schon in diversen Gesprächen zu spüren bekommen. Tuchel kann sehr fordernd sein, und eine Herausforderung ist die Zusammenarbeit mit ihm allemal, wie auch sein eigenwilliger Abschied in Mainz gezeigt hat.

Allerdings zeigt sich beim VfB, dass es zu oft um Befindlichkeiten und zu wenig um den Verein geht. Gerade deshalb braucht es auch einen unbequemen Querdenker – mit der Fantasie für eine moderne Elf und der Energie, um alte Strukturen und Denkweisen aufzubrechen. Das Ende der Dauerkrise würde eine Lösung mit Tuchel zwar nicht garantieren, aber sie wäre eine große Chance, mutig nach vorne zu schauen. Diese Möglichkeit scheint nun aber verbaut.