Uli Hoeneß muss nach dem Urteil vom Donnerstag ins Gefängnis. Egal, wie die Revision ausfällt: Seine Verteidigung war weit weg von der Wirklichkeit. Der Bayern-Präsident ist vor allem sich selber zu Kopf gestiegen, kommentiert Mirko Weber.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Ulrich Hoeneß aus Ulm, an seinem jetzt zwei Jahre zurückliegenden sechzigsten Geburtstag von Horst Seehofer zum „Bayern ehrenhalber“ erhoben, hat schon immer die konfrontative Inszenierung geliebt. Als Fußballspieler – und er war einer der erfolgreichsten Fußballspieler der siebziger Jahre – gehörte die Jagd auf den Stürmer zum Programm aller Gegner. Er genoss das: Zielscheibe zu sein. Als Manager des FC Bayern drehte Hoeneß die Verhältnisse um. Nun war er der Attackierende, der anderen entweder das Spielermaterial vor der Nase wegkaufte oder sich auf oft ausufernde verbale Händel mit Wettbewerbern (Willi Lemke, Bremen; Christoph Daum, Köln) einließ.

 

Die populärphilosophische Frage, wer er eigentlich wirklich sei – und wenn ja, wie viele, stellte sich für Hoeneß nie. Er war für alle, die ihn zu kennen meinten, und das waren die meisten, der Uli, ein kolossaler Kumpel. Für den Rest stand oft fest, dass unter dem Label Hoeneß immer auch Hoeneß verkauft wurde: ein mitunter mimosenhafter, aufbrausender, kindischer Charakter, geschäftsmäßig indes kühl wie ein Angler, aber auch einer mit Herz, wie man so sagt. Wer in der Liga Sorgen hatte, konnte als Einzelner (wie der Alkoholiker Gerd Müller) oder als Kollektiv (ein Verein von vielen: St. Pauli) zu Hoeneß kommen – und Uli Hoeneß kümmerte sich.

Hoeneß stand kurz vor der Heiligsprechung

Das gefiel allgemein, und weil Uli Hoeneß von seiner Persönlichkeitsstruktur her trotz rabaukenhafter Anfälle eigentlich allen gefallen wollte, ging die immer auch über die Medien eilfertig transportierte Botschaft nie unter: in Uli Hoeneß hatte man einen, auf den man zählen konnte. Als er sich, längst supersympathisch in Szene gesetzter Werbeträger, auch noch über die Dominik-Brunner-Stiftung definierte – gegründet nach dem gewaltsamen Tod eines couragierten Münchner Bürgers –, stand Hoeneß kurz vor der Heiligsprechung in Deutschland. Um seinen Sechzigsten herum wurde ernsthaft erwogen, ob er nicht doch ministrabler sei als manch hochstehender Politiker. Und selbst notorisch bayernkritische Magazine machten ihren Frieden mit dem Patriarchen, wenn er so tat, als könne der FC Bayern, als dessen Personifikation sich Hoeneß unter anderem begriff, doch noch den Raubtierkapitalismusfußball halb vegetarisch kochen.

Uli Hoeneß war aber nicht nur großen Teilen des Publikums, sondern vor allem sich selber zu Kopf gestiegen, wie sich Anfang des letzten Jahres und jetzt noch einmal zu Beginn seines Steuerprozesses offenbart hat. Während er der Basis und dem Überbau im Verein gerne suggerierte, trotz allem immer noch vollkommen normal zu sein, nichts als Fußballer und Fan, operierte er insgeheim in einem befremdlichen Spekulationsreich kräftig an der Steuer vorbei mit teils fremdfinanzierten Summen, die als „Spielgeld“ eingesetzt wurden.

Sein Auftreten war eine Frevelei

An einem Tag versenkte er Beträge, die reichen würden, das jährliche Überleben aller Einwohner eines afrikanischen Landes zu garantieren. Zur innerlichen Stabilisierung trat Uli Hoeneß in Deutschland im Gegenzug gerne als sozialer Weihnachtsmann auf. Das war – alles in allem – Frevelei. Oder zumindest „ein Fehler“, wie Hoeneß nach der Aufdeckung seines Doppel- bis Triple-Lebens, das er längst nicht mehr im Griff hatte, einräumte.

Im Münchner Prozess wegen Steuerhinterziehung hat der ewige Angreifer Hoeneß einen vorletzten Ausfall probiert. Der Richter Rupert Heindl entzauberte diese Überrumpelungstaktik in der Urteilsbegründung mit einem Wort. Er nannte Hoeneß’ Taten ein „Vorsatzdelikt“, woran auch der Bundesgerichtshof in letzter Instanz schwerlich vorbei kommen wird. Die FC Bayern AG jedenfalls braucht einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden, und alle Vertrauten, Freunde und Fans von Hoeneß kommen um eine Einsicht von vielen nicht herum: es gab nie nur einen Uli Hoeneß!