Ministerin von der Leyen kündigt ihre Pläne zur Beschaffung von Drohnen nicht im Bundestag an, sondern in der Zeitung. Diese Taktik, so meint der StZ-Redakteur Thomas Maron, zeigt exemplarisch, was die Regierung von den Abgeordneten erwartet.

Berlin - Ursula von der Leyen hat dieser Tage am konsequentesten den Volksvertretern im Bundestag vor Augen geführt, welche Gestaltungsmöglichkeiten ihnen aus Sicht dieser Regierung noch bleiben sollten: keine! Die Verteidigungsministerin hatte eine breite, tiefschürfende Debatte über die ethische Dimension des Einsatzes von Kampfdrohnen versprochen. Daraus wurde am Ende eine kleine Runde ehrenwerter Experten im Verteidigungsausschuss Anfang dieser Woche. Sie hat angekündigt, den Abgeordneten im Bundestag ihre Pläne zu offenbaren, um sich dann einem offenen Schlagabtausch zu stellen. Bevor sie das am Mittwoch aber – auf Antrag der Linken – tat, konnten die Abgeordneten morgens die Ideen der Ministerin bereits einer Zeitung entnehmen. Kein Wunder, dass nicht nur Grüne und Linke tobten, die diesen erkennbar nur vorgetäuschten Willen zu einer fundamentalen Auseinandersetzung als Farce abtun. Auch die Abgeordneten von Union und SPD befällt mehr und mehr der Verdacht, dass sie in dieser Koalition nichts weiter als Mehrheitsbeschaffer zu sein haben. Wer denkt, stört.

 

Bei von der Leyen ist die Missachtung des Bundestags umso bemerkenswerter, als dass ihr Ressort wie kein anderes abhängig ist vom Wohlwollen der Parlamentarier. Mag anderswo ein Präsident über Krieg und Frieden entscheiden, in Deutschland darf keine Kanzlerin, keine Regierung, sondern nur der frei gewählte Abgeordnete bewaffnete Soldaten entsenden.

Symptomatisch für die große Koalition

Ihr gönnerhaftes Versprechen, über die Bewaffnung von Drohnen werde im Einzelfall das Parlament zu befinden haben, ist deshalb nichts weiter als die Ankündigung einer Selbstverständlichkeit. Denn auch wenn die Abgeordneten sicher nicht über jede Munitionskiste abstimmen, so wäre es doch schlicht unvorstellbar, derart heikle und teure Waffensysteme wie Kampfdrohnen in Krisengebiete ohne Wissen und Billigung des Bundestags zu entsenden.

Von der Leyens Umgang mit dem Parlament ist symptomatisch für das Vorgehen der großen Koalition. Die Parlamentarier drohen zu Statisten zu verkommen. Die öden Debatten im Plenum, in denen häufig fünf Redner von Union und SPD nacheinander einräumen, ihren Vorrednern im Grunde nichts mehr hinzufügen zu können, sind da noch das geringste Problem. Die Mehrheitsverhältnisse sind nun mal so, wie sie sind. Problematischer ist die systematische Beschneidung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Abgeordneten in den parlamentarischen Verfahren.

Als wären die Reformen Notstandsgesetze

Wenn die drei Parteivorsitzenden Entscheidungen treffen, bleiben Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) zunächst meist unter sich, anders als in früheren Koalitionen. Die Fraktionschefs Volker Kauder und Thomas Oppermann müssen in der Regel draußen bleiben, empfangen später brav die Befehle der Regierungstroika und exekutieren diese umso kompromissloser.

Die Miniopposition aus Linken und Grünen wird dabei derart rigoros klein gehalten, dass man meinen könnte, Union und SPD hielten sie für einen bedrohlichen Gegner. Bei der Reform der Energiewende verweigerte die Koalition trotz gravierender Änderungen des Gesetzes in letzter Sekunde eine weitere Ausschussanhörung. Begründung: Zeitnot. Morgen peitscht die Koalition im Schweinsgalopp mit deutlich verkürzten Beratungsfristen weit reichende Änderungen des Lebensversicherungsrechts durch. Begründung: dringender Handlungsbedarf. Als wären manche Reformen dieser Regierung Notstandsgesetze, nutzt die Koalition ihre Mehrheit, um die Beteiligung der Abgeordneten auf ein Minimum zu reduzieren.

Die Abgeordneten von Union und SPD sollten sich aber nicht zu sicher fühlen: Wenn sie nicht bald merken, dass sie sich so überflüssig machen, merken es womöglich am Ende noch die Wähler.