Der Fall Gustl Mollath hat aufgerüttelt, aber er ist kein Einzelfall. Richter halten Menschen allzu lange und allzu leichtfertig in forensischen Kliniken fest, kommentiert StZ-Redakteur Stefan Geiger.

Stuttgart - Wie immer das Verfahren gegen ihn ausgehen wird, Gustl Mollath hat sich um die deutsche Justiz verdient gemacht. Die Diskussion über ihn hat die Aufmerksamkeit auch auf die forensische Psychiatrie insgesamt gelenkt, auf die Fahrlässigkeit, mit der Richter einweisen, vor allem aber auf die schon unglaubliche Leichtfertigkeit, mit der Menschen, die einmal dort gelandet sind, über Jahrzehnte festgehalten werden – weit über die Zeitspanne hinaus, die andere Täter als Sühne für ihre Tat in Unfreiheit bleiben. Die Serie der jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung ist ein Schandmal für Deutschlands Justiz. Schämen müssten sich jene Richter, die Menschen zu Unrecht ihrer Freiheit beraubt haben, vor allem aber auch jene Oberlandesrichter, die diese Fehlurteile nicht korrigiert haben.

 

Zu diskutieren sein wird aber auch das Verhalten der Ärzte in den Kliniken. So ist schwer nachzuvollziehen, dass Sex, sofern von Ärzten für gut gehalten, Teil der Therapie sein kann, derselbe Sex ohne ausdrückliche ärztliche Erlaubnis aber ein Zeichen von Krankheit, das einen weiteren Klinikaufenthalt erfordert. Und auch die Verfassungsrichter selbst entscheiden manchmal noch schneller, wenn es nicht um die Freiheit von für krank Erklärten, sondern um die Beförderung von Beamten geht.