Düstere Klimaprognosen gibt es genug, findet der StZ-Redakteur Alexander Mäder. Nun sind kluge technische Lösungen gefragt. Ob es dabei hilft, immer wieder das Zweigradziel zu beschwören, ist fraglich.

Stuttgart - Das Zweigradziel geistert schon seit einigen Jahren durch die politische Debatte und spielt seit dem UN-Klimagipfel von Kopenhagen vor drei Jahren auch in diesem Gremium eine Rolle (siehe den „Copenhagen Accord“ in diesem PDF-Dokument). Die Formulierungen in den Abschlusserklärungen sind vorsichtig: So wird „anerkannt“, dass es wichtig sei, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen (Paragraf 2 in diesem PDF-Dokument). Zwei Grad über dem Niveau, das vor Beginn der Industrialisierung herrschte. 0,8 von den zwei Grad sind heute schon erreicht. Wenn am Montag in Katar der diesjährige UN-Klimagipfel beginnt, werden sich die Delegierten wieder fragen, wie man dieses Ziel eigentlich erreichen soll. Denn wenn der Trend anhält, wird die Marke bereits im Jahr 2050 überschritten.

 

Nur wenige Staaten wenden sich gegen das Zweigradziel: Es sind die 44 kleinen Inselstaaten, die sich schon bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad existenziell bedroht sehen. Deshalb wurde auch vereinbart, dass man bis 2015 noch einmal überprüft, ob man das Ziel nicht doch auf 1,5 Grad festlegen sollte (Paragraf 139 auf Seite 23 dieses PDF-Dokuments). Dieser Beschluss deutet an, wie wenig das Ziel mit der Realität zu tun hat. Es ist eine Floskel, eine Kurzform für den politischen Willen, im Rahmen der Möglichkeiten etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Die Idee des Zweigradziels übt jedoch nicht den Druck aus, den sich viele erhofft haben.

Die Politik hat immer Alternativen

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, kurz WBGU, hat einen Weg gefunden, die Lage zu veranschaulichen: Um die Zweigradmarke nicht zu überschreiten, darf die Welt bis 2050 nur noch 700 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre blasen. Das Ziel wird nur erreicht, wenn man fortan nur noch grob die Hälfte des Kohlendioxids emittiert wie derzeit üblich. Doch auf den Weltklimagipfeln geht es darum, Kompromisse zu finden – und das ist auch richtig so. Denn Klimaschutz ist das Ergebnis einer gesellschaftlichen Risikoabwägung. Aus der Klimaforschung folgt nicht zwingend, dass man den Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzen muss, denn die Politik hat immer die Wahl, auch wenn es in letzter Zeit in Mode gekommen ist, dies zu bestreiten und sich ganz den vermeintlichen Zwängen hinzugeben.

Die Wissenschaft hat die Aufgabe, verlässliche Erkenntnisse zusammenzutragen. Dazu gehören Prognosen zu den erwarteten Folgen des Klimawandels. Im Detail sind die Prognosen ziemlich unsicher, aber klar ist dennoch, dass eine um vier Grad wärmere Welt eine ganz andere sein wird. Um zu verdeutlichen, wie viel ein paar Grad ausmachen können, hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung darauf verwiesen, dass die Temperaturen in der letzten Eiszeit nur fünf Grad unter den heutigen lagen. Doch schon der Titel seines Berichts im Auftrag der Weltbank überschreitet die Grenzen der wissenschaftlichen Expertise. Mit einer politischen Forderung wie „Dreht die Hitze herunter“ sollte sich die Wissenschaft zurückhalten.

Wichtiger ist es, die möglichen Wege zum Klimaschutz ebenso einprägsam zu skizzieren. Die Frage, welche Technologie am besten geeignet scheint, ist kompliziert. Biosprit lohnt sich zum Beispiel nicht in allen Regionen gleichermaßen. Die Windanlagen vor der deutschen Küste, auf die man große Hoffnungen setzt, sind schwer zu errichten. Und Wasserkraftwerke zerstören nicht nur große Landstriche, sie können sogar gehörige Mengen Treibhausgase ausstoßen, wenn im aufgestauten See ein Wald vermodert. Auf diese technischen Debatten sollte sich die Öffentlichkeit einlassen.

Auf dem Klimagipfel in Katar muss ein Weg gefunden werden, um vernünftige Maßnahmen zum Klimaschutz zu fördern. Die Lösungen werden von Ort zu Ort unterschiedlich ausfallen und sollten eine Chance bekommen. Auf ein Abkommen sollte man nicht warten, denn daran werden die Delegierten sicher einige Jahre arbeiten.