Die Terroranschläge in Paris erschüttern Europa und die Welt. Der Westen muss entschlossen reagieren, aber trotzdem kühlen Kopf bewahren, meint der StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Es gibt Ereignisse, die teilen die Zeit in ein Davor und ein Danach. Der Angriff auf das World Trade Center am 11. September 2001 war so ein Ereignis. In ihrer perfiden Mischung aus ausgeklügelter Organisation einerseits und dem scheinbar willkürlich verbreiteten Schrecken andererseits sind auch die Anschläge vom 13. November eine Zäsur. Dieser Terrorakt hätte jeden treffen können, ob in Paris oder Passau; jeden, der ins Café, Konzert oder Fußballstadion geht, jeden, der frei seine Meinung äußern möchte, jeden, der so lebt wie wir. Deshalb war es auch, wie schon am 11. September, kein Anschlag auf ein bestimmtes Land, sondern ein Anschlag gegen den Westen und seine Lebensweise.

 

Und doch gilt es, nicht blindwütig auf die feigen Anschläge zu reagieren. Gerade jetzt ist Besonnenheit Pflicht. Der „war on terrorism“, den der damalige US-Präsident George W. Bush nach den Terroranschlägen auf New York und Washington ausgerufen hatte, trug jedenfalls nicht dazu bei, die Welt besser und sicherer zu machen – im Gegenteil. Deshalb hilft es auch nicht, jetzt von „Krieg“ oder besser noch „Weltkrieg“ zu sprechen, selbst wenn die Versuchung dazu groß ist. Natürlich muss der Islamische Staat mit militärischen Mitteln bekämpft werden. Doch die Bedrohung geht ja eben nicht nur von einem „Staat“ aus, sondern von einer verblendeten Ideologie, die auch dann noch besteht, wenn der Islamische Staat als solcher von der Landkarte getilgt ist.

Die arabische Welt und Russland müssen eingebunden sein

Daher ist es entscheidend, wer wann wo gegen wen und vor allem mit welchem Ziel kämpft. Wenn die Reaktion auf den Terror langfristig erfolgreich sein soll, müssen die arabische Welt und auch Russland eingebunden werden. Es ist die Stunde der Diplomatie und der Realpolitik: nicht mit jedem, den man nun braucht, setzt man sich gern an einen Tisch. Doch man kann nicht gleichzeitig gegen den IS und die Despoten der Region kämpfen. In diesem Kontext, als gezieltes Mittel der Politik, ist dann auch Waffengewalt erforderlich. Paradoxerweise scheint es sogar so zu sein, dass – getreu dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund – nach den Pariser Attentaten die Chancen auf eine Lösung des Bürgerkriegs in Syrien gestiegen sind.

Auch in Deutschland muss man sich in jeder Beziehung vor einfachen Antworten hüten. Die deutsche Flüchtlingspolitik etwa hat mit den Ereignissen von Paris nur insofern etwas zu tun, als dass die Asylbewerber, die in großer Zahl zu uns kommen, zu wesentlichen Teilen vor genau solchen Schergen fliehen, die am Freitag das Blutbad angerichtet haben. Sie sind nicht Täter, sondern Opfer und benötigen unsere Hilfe und unseren Schutz. Und wenn sich die Gefährdungslage in Deutschland verschärft hat, dann hat das – jedenfalls wenn man dem Präsidenten des Verfassungsschutzes glaubt – nichts mit der hohen Zahl der Flüchtlinge zu tun. Selbst wenn zwei der Terroristen als Flüchtlinge getarnt nach Frankreich eingereist sind – was bis jetzt nicht endgültig geklärt ist –, ist doch das Problem der im Westen aufgewachsenen Terroristen ein ungleich Größeres.

Der deutsche Staat muss die Kontrolle behalten

Das ändert nichts daran, dass es ein unhaltbarer Zustand ist, wenn sich mehr als 250 000 unregistrierte Flüchtlinge in Deutschland aufhalten. Unabhängig von der Frage von Obergrenzen des Zuzugs, wie immer man sie begründen mag, muss der Staat die Kontrolle behalten respektive wiedergewinnen. Mit anderen Worten: Flüchtlinge müssen registriert werden, wenn sie nach Deutschland einreisen.

Es ist abzusehen, dass die Zeiten härter werden. In dem Maße, wie der IS und andere Islamisten bekämpft werden, nimmt die Bedrohung hierzulande erst einmal zu. Auch hier gilt es, kühlen Kopf zu bewahren: Die beste Antwort auf den Terror ist, sein Leben und seine Werte weiterzuleben und trotzig zu verteidigen.