Die Zeiten haben sich geändert: Frauen sind zwar noch nicht da, wo sie sein wollen. Aber sie haben viel erreicht, meint StZ-Politikredakteurin Barbara Thurner-Fromm. Das kann, das muss man feiern!

Stuttgart - Was waren das doch für Zeiten, Anfang der neunziger Jahre. Wer sich damals traute, das Wort „internationaler Frauentag“ in der Redaktionskonferenz fallen zu lassen, wusste, dass sein Tag gelaufen war. Die Kollegen rollten mit den Augen und stöhnten gequält auf; Frauentag – dieses angestaubt-sozialistische Erbe der DDR, bei dem doch eh nur ein paar verbiesterte Emanzen komplett humorfrei über Gleichberechtigung diskutieren wollten. Als ob es nichts Wichtigeres gäbe – sollten wir nicht dringend über die Autoindustrie, Sicherheitspolitik oder Steuersenkungen schreiben? Man wurde schnell kleinlaut, mit dem Frauen-Thema war kein Blumentopf zu gewinnen.

 

Heute macht niemand mehr dumme Sprüche über den Frauentag, denn Männer und Frauen gehen ziemlich entspannt damit um. Und der Chefredakteur ermuntert ausdrücklich, das Thema aufzugreifen. Vielleicht liegt es ja daran, dass sich heute niemand mehr darum schert, dass der internationale Frauentag schon vor mehr als 100 Jahren von Clara Zetkin als Kampftag der Arbeiterinnen gefordert wurde. Heute laden Frauen gleich welcher politischer Couleur am 8. März zu Treffen ein – und siehe da: es kommen Alte und Junge, Mütter und Kinderlose, Managerinnen und Hausfrauen. Man trifft dort auch nicht auf verbiesterte Gesichter – im Gegenteil, es wird viel gelacht. Denn Gleichberechtigung der Geschlechter in allen Bereichen des Lebens und Chancengleichheit von Männern und Frauen in Beruf und Karriere ist von der Idee zur unwiderruflichen Grundlage unserer Gesellschaft gereift. Das kann, das muss man feiern!

Auch viele Männer haben Anteil am gesellschaftlichen Erfolg

Zu verdanken ist das vielen mutigen und ausdauernden Frauen in Unternehmen, Verbänden und Parteien, die nicht locker gelassen haben, sondern sich immer wieder gegen Widerstände stemmten. An diesem gesellschaftlichen Erfolg haben aber auch die vielen Männer einen Anteil, die sich in den vergangenen Jahrzehnten darauf eingelassen haben, tradierte Anschauungen und ihre eigene Rolle zu hinterfragen. Auch sie haben sich verändert, sind im Alltag fairer und partnerschaftlicher geworden. Natürlich murren sie über die erstarkte weibliche Konkurrenz bei Jobs und Karriere. Das ist normal. Frauen schimpfen auch über die Kollegen, die an ihnen vorbeiziehen.

In diesem Zusammenhang darf man ruhig die Grünen als Vorbild loben. Sie haben lange Zeit als einzige konsequent die Frauen bei Wahlen nach vorne gestellt und ihnen stets die Hälfte der Ämter und Parlamentssitze reserviert. Das hat bei den anderen Parteien einen Sog entwickelt, der auch sie zum Handeln zwang; selbst bei der CDU und der CSU ist die männliche Hinterzimmer-Politik vorbei.

Längst sind nicht alle frauenspezifischen Probleme gelöst

Frauen haben sich aber nicht nur ihren Platz in der Politik erkämpft, sie setzen auch ihre Themen. Wer hätte denn vor zehn Jahren gedacht, dass sich Sozialdemokratinnen, Grüne und Konservative schwesterlich unterhaken, um für eine Frauenquote an der Spitze von Unternehmen zu kämpfen? Wer hätte zu hoffen gewagt, dass das Elend der fehlenden Kinderbetreuung gemeinsam durch einen Rechtsanspruch auf eine Kita bekämpft wird?

Natürlich wird niemand behaupten, alle frauenspezifischen Probleme seien gelöst. Sie sind es nicht. Frauen verdienen noch immer rund ein Fünftel weniger als Männer; sie fallen oft auf Teilzeit oder Minijobs zurück, weil sie Familie und Erwerbsarbeit nur schwer vereinbaren können und büßen dafür später mit Altersarmut. Zudem werden Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, im Rentenrecht weiter krass ungerecht behandelt. Denn sie bekommen für ihre Erziehungsleistung pro Kind nur 28 Euro im Monat, während es 84 Euro für Geburten ab 1992 gibt. Am ausgelassenen Feiern sollte sie all das aber nicht hindern. Morgen ist auch noch ein Tag.