Der von de Maizière geplante Umbau bei der Bundeswehr trifft den Südwesten hart - doch er bleibt richtig, meint Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Berlin - Wie sonst nirgends in der Politik gilt bei Reformen der Bundeswehr das Sankt-Florians-Prinzip: Verschon mein Haus, zünd andere an. So war es bei früheren Verkleinerungen - so ist es auch diesmal. Entsprechend wurde der Verteidigungsminister in den vergangenen Monaten von allen Seiten bearbeitet, auf dass er den Standort- und Stellenabbau doch woanders vornehmen möge.

 

Kaum hatte Thomas de Maizière am Mittwoch sein Zukunftskonzept für die Truppe bekanntgegeben, zückten Politiker quer durch die Republik ihre Rechner und stellten fest, dass ihre Region entweder in absoluten Zahlen oder prozentual oder in Relation zur Einwohnerzahl betrachtet stärker betroffen sei als andere Landstriche. So gesehen kann es der Minister niemandem recht machen.

Ist es also unfair, einzelne Maßnahmen beim größten Umbau in der Bundeswehrgeschichte zu kritisieren? Nein. Vor Fehlentscheidungen ist ein mutiger Verteidigungsminister nicht gefeit. Der Beschluss, die Truppe aus Sigmaringen abzuziehen, ist allemal sehr fragwürdig. Sigmaringen ist mit seinen 1860 Dienstposten nicht nur der größte Standort im Südwesten, sondern auch - als Kopf der 10. Panzerdivision - der bedeutendste. Die Garnisonsstadt hat eine lange zivil-militärische Tradition und übt eine große Anziehungskraft auf die Soldaten aus. Dass Stetten am kalten Markt aufgewertet wird, ist da ein schwacher Trost.

Standort-Schließungen verschlechtern die Bindung zur Gesellschaft

Kämpfen wollte Ministerpräsident Winfried Kretschmann für den Südwesten. Das haben - wie gesagt - viele andere auch getan. Doch hat sich der Grüne von dem Christdemokraten ausgerechnet beim Verdikt über seinen Heimatstandort überrollen lassen. Nun gibt sich der Regierungschef zerknirscht. In Sigmaringen und bei der Truppe steht er dennoch düpiert da.

Dass die Bundeswehr in Baden-Württemberg kräftig zur Ader gelassen wird, ist generell kaum zu verhindern gewesen - von parteipolitischen Interessen hat sich der Minister gewiss nicht leiten lassen. Viele Kommunen in strukturschwachen Regionen sind hart getroffen. Die Benachteiligungen lassen sich im Einzelfall mit staatlicher Unterstützung mindern. Die Folgekosten bedeuten allerdings, dass die Reform unterm Strich viel teurer wird, als der Minister es darstellt. Der Streit, wer für die Hilfsprogramme aufkommen muss, ist eröffnet - de Maizière macht die Taschen bereits zu.

Auch für die Soldaten und Zivilbeschäftigten ist jede Reform eine Tortur. Wieder einmal müssen Zigtausende samt Familien eine neue Heimat suchen. Wie sollen sie - nach all dem Vertrauensverlust in den letzten Jahren - die neuerlichen Veränderungen in den Streitkräften als Chance auffassen? Und wie will die Bundeswehr erfolgreich um qualifizierte Freiwillige werben, auf die sie künftig besonders angewiesen sein wird, wenn sie sich weiter aus der Fläche zurückzieht?

Die Bindung zur Gesellschaft droht mehr und mehr verloren zu gehen. Attraktivität kann der Minister aber nicht anordnen und nicht mit Einstiegsprämien erkaufen, er muss seine Ziele glaubwürdig und verständlich erläutern - wenn es geht, auch mit etwas mehr Charisma. Bis jetzt ist von alledem wenig zu spüren.

De Maizière stößt an seine Grenzen

Das Ziel, die in Teilbereichen schwerfällig gewordene Armee zu verschlanken und zugleich besser auf die internationalen Einsätze auszurichten, bleibt richtig. Immer mehr zeigt sich jedoch, dass de Maizière an seine Grenzen stößt. Weder darf er, was sinnvoll wäre, sein Ministerium von der Bonner Hardthöhe gänzlich nach Berlin verlagern - noch kann er konkrete Einsparungen bei der Rüstung beziffern.

Zu welchen Konditionen die Prestigeprojekte reduziert werden, ist offen. Die Entschlossenheit, die der Minister gegenüber Soldaten und Kommunen an den Tag legt, ist ihm auch im Umgang mit der Industrie und ihren Lobbyisten zu wünschen. Erst wenn er sich dort durchsetzt, hätte er einen Platz in der Galerie großer Bundeswehrreformer sicher.