Die Regierung hat Pläne der EU abgewehrt, deutsche Firmen stärker an den Kosten der Energiewende zu beteiligen. Die Zeche zahlt nun der Verbraucher, kommentiert der StZ-Redakteur Roland Pichler.

Berlin - Wenn es um Belange der deutschen Industrie geht, kann sich die Wirtschaft auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) voll und ganz verlassen. In diesem Sinn hat auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) seine Feuertaufe mit Bravour bestanden. Wer aus dem Wahlkampf noch die bankenkritischen Äußerungen des SPD-Chefs im Ohr hat, wird sich wundern. Gabriel wie Merkel setzten alle Hebel in Bewegung, damit die deutsche Industrie auch künftig fast vollständig von der Ökostromabgabe verschont wird.

 

Wie hartnäckig Berlin den Versuch der EU-Kommission abgewehrt hat, das Subventionsdickicht zu lichten, ist verblüffend. Von der ursprünglichen Idee, dass auch die Unternehmen einen stärkeren Beitrag zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) leisten sollen, ist nichts geblieben. Aus industriepolitischer Logik hat die Regierung erstklassig verhandelt: Gabriel auf offener Bühne und die Kanzlerin, die im Hintergrund die Fäden zog. Dass die Wirtschaftsverbände höchst zufrieden sind, spricht Bände.

Der Hinweis auf Arbeitsplätze rechtfertigt nicht alles

Die Sache hat dennoch einen Haken: Bei der Reform des EEG geht es nicht nur um die Interessen der Industrie. Sicherlich hat Gabriel recht mit der Feststellung, dass Arbeitnehmern und Steuerzahlern in Deutschland nicht geholfen wäre, wenn reihenweise Aluminiumhütten, Papierfabriken und Zementhersteller ihre Werke wegen steigender Strompreise schließen müssten. Dass die Bundesregierung die Sorgen ernst nimmt, ist richtig. Der Aufschrei im Land wäre groß, wenn sich das EEG als Jobkiller erwiese. Gabriel gibt offen zu, dass es im Streit mit Brüssel um Hunderttausende von Jobs geht. Gleichwohl darf der Hinweis auf Arbeitsplätze kein Hinderungsgrund dafür sein, die Auswüchse zu begrenzen.

Bisher sind rund 2000 energieintensive Unternehmen von der EEG-Umlage befreit. Die Wirtschaft spart auf diese Weise fünf Milliarden Euro im Jahr. Das Geld müssen Privathaushalte und der Mittelstand aufbringen. Nach der Einigung mit der EU-Kommission steht fest, dass der Kuchen aus Sicht der begünstigten Unternehmen ungefähr gleich groß bleibt. Das ist aus gesamtgesellschaftlicher Sicht eine herbe Enttäuschung.

„Der Berg kreißte und gebar eine Maus“: dieser Ausspruch lässt sich auf die geplante EEG-Reform münzen. Wie schon so oft bleibt von der Reform bestenfalls ein Reförmchen übrig. Das ist aus Sicht der Verbraucher enttäuschend. Die Konsumenten müssen noch nicht im nächsten Jahr, wohl aber auf mittlere Sicht mit weiter steigenden EEG-Umlagen rechnen. Doch es kann nicht sein, dass ständig vor allem die Bürger zur Kasse gebeten werden.

Der großen Koalition fehlt die Kraft

Die Politik war in diesem Punkt schon weiter. Einigkeit besteht darin, dass sich die Rabatte für einen Teil der Unternehmen nicht rechtfertigen lassen. Dass Schlachthöfe, Tierfutterproduzenten oder Schokoladenhersteller von der Umlage ausgenommen werden, dafür gibt es keinen Grund. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat seinerzeit die Zahl der Betriebe, für die Ausnahmen gelten, willkürlich erhöht. Dass zumindest die Betriebe, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen, auf Privilegien verzichten müssen, ist ein Gebot der Fairness.

Doch der großen Koalition fehlt die Kraft, den Wildwuchs zu durchforsten. Die Strompreisrabatte für die Industrie werden in Summe gleichbleiben. Das Nachsehen haben die Verbraucher. Weil Merkel und Gabriel auch davor zurückschreckten, den Ministerpräsidenten ihre Sonderwünsche auszureden, ist vom übrigen Teil der Reform ebenso wenig ein dämpfender Effekt auf die EEG-Umlage zu erwarten. Die Regierung geht den Weg des geringsten Widerstands. Wenigstens die Fördersätze für erneuerbare Energien sinken. Das jedoch reicht für die Energiewende nicht aus.