Der Zweikampf um das höchste Amt hinterlässt ein gespaltenes Land. Die seit Jahrzehnten regierenden Parteien SPÖ und ÖVP haben sich keine große Mühe gegeben, einen würdigen Nachfolger für Heinz Fischer (SPÖ) zu finden.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Wien - Abgesehen von ihrer natürlichen Schönheit ist die Kornblume, jenseits von Preußen, wo ihr Blau seit den Zeiten von Königin Luise verehrt wurde, ein politisches Symbol in Österreich: Georg von Schönerer, Gutsbesitzer, Führer der Deutschnationalen im zerfallenden Habsburgerreich, radikaler Antisemit und anerkanntes Vorbild von Adolf Hitler, nahm sie als Zeichen für seine Bewegung. Später trugen die bis 1938 verbotenen Nationalsozialisten die Kornblume, und wenn Norbert Hofer als Dritter Nationalratspräsident im Parlament der Zweiten Republik in Wien ein festliches Gewand anlegte, fehlte die Kornblume am Revers selten. War sie nicht einfach nur eine Blume und in der Alpenrepublik, also in Hofers Heimat, daheim?

 

Solche Subtexte gehörten zur Selbstinszenierung des Mannes, der in den vergangenen Wochen für einen beispiellosen Wahlkampf um die Hofburg, den Sitz des Präsidenten, gesorgt hat – und für ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Auszählung. Als möglichen knappen Sieger hatte ihn ursprünglich keiner richtig auf der Liste. Warum? Der Bundespräsident galt in unserem Nachbarland traditionell als Staatsnotar. Er konnte verfassungsrechtlich Einfluss nehmen auf die Politik der Bundesregierung, aber er tat es, von formalen Ausnahmen abgesehen, nicht. Der Präsident, selbst wenn er buchstäblich Dreck am Stecken hatte wie Kurt Waldheim, galt in der Öffentlichkeit als eine Art von minderem Ersatzkaiser: Er repräsentierte sein Land vor allem, wenn es um ein bisschen Glanz und Restgloria ging. Vor diesem Hintergrund gaben sich die seit Jahrzehnten in großen Koalitionen regierenden Parteien SPÖ und ÖVP heuer keine besonders große Mühe, einen würdigen Nachfolger für Heinz Fischer (SPÖ) zu finden.

Volksparteien schickten Charaktere ohne jedes Profil in die Wahl

Dabei hatten SPÖ und ÖVP dieses Mal die Rechnung ohne den Wirt, das Volk, gemacht. Auf lähmende Weise nur noch eigenen Pfründen verpflichtet, schickten sie Charaktere ohne jedes Profil in die erste Wahl vor vier Wochen. Folglich kamen zwei Kandidaten in die Stichwahl, die von den Rändern stammen: Norbert Hofer als Vertreter der rechtspopulistischen FPÖ und Alexander Van der Bellen als unabhängiger, gleichwohl von den Grünen gestützter Mann, deren ehemaliger Chef er gewesen ist. Sie schlugen sich stellvertretend – und entlarvend in einer vollkommen aus dem Gleis gelaufenen Fernsehdebatte – jene Wunden tiefer, von deren Existenz die Parteien in der verwaisten und ratlosen Mitte nichts hatten wissen wollen. Es brauchte da keine Subtexte mehr. Hofer stand und steht für einen chauvinistischen und autokratischen Gesellschaftsentwurf und für das reaktionäre Rollback, das ähnlich gesinnte Politiker wie Viktor Orbán in Ungarn und Jaroslav Kaczynski in Polen bereits praktizieren. Van der Bellen inszenierte sich als Garant eines leicht modifizierten „Weiter so, Österreich“-Kurses, der eine offene Gesellschaft propagiert, ohne deren mindestens diskussionswürdige Antagonismen und überdies manche Scheinlügen wahrhaben zu wollen.

Hofer oder Van der Bellen? Der Ernst der Lage, den Hofer angekündigt hatte – schließlich sieht er sich im Falle der Wahl, trotz verpflichtender Überparteilichkeit im Amt, als Wegbereiter eines möglichen Bundeskanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ) –, wurde den Mainstream-Parteien jedenfalls viel zu spät bewusst. Die fast panische Auswechslung des Bundeskanzlers Werner Faymann, ersetzt durch den Managertypus Christian Kern, war mit Blick auf die Präsidentenwahl ein Faktor, aber nicht entscheidend. In Wien, wo erst am Montagabend ein Ereignis feststeht, kommt Wind auf, und Kern wird nun gegenhalten müssen: offen, streitbar. Noch ist die Koalition im Amt. Doch Österreich ist schon nach dieser 50:50-Wahl ein in zwei Hälften gespaltenes Land, in dem, wie immer es ausgeht, die Blumen des (auch) Bösen blühen.