Die Polizeireform im Land demonstriert keinen Zentralismus, meint StZ-Redakteur Reiner Ruf. Sie zeigt den Gestaltungswillen der Regierung.

Stuttgart - Wenn Innenminister Reinhold Gall mit seinen Plänen durchkommt, steht die Polizei in Baden-Württemberg vor der größten Umwälzung seit Jahrzehnten – und Grün-Rot vor einer echten Bewährungsprobe. Der SPD-Politiker nimmt eine komplette Ebene aus der Organisationsstruktur der Polizei heraus, indem er die Führungsstäbe in den Land- und Stadtkreisen mit denen in den Regierungspräsidien verschmilzt. Es entstehen zwölf regionale Polizeipräsidien. Die Polizeireviere und Polizeiposten vor Ort bleiben unberührt.

 

Der Innenminister unternimmt mit seiner Reform nur dies, was in der freien Wirtschaft schon lange Gang und Gäbe ist: Er verflacht die Hierarchien, um Synergieeffekte zu schöpfen. Die Landräte im Südwesten hingegen stehen unter Schock. Nicht nur, dass sie „ihren“ Polizeidirektoren verlieren. Die Reform durchbricht sektoral den traditionellen Verwaltungsaufbau des Landes. Wenn es bei der Polizei künftig zwölf Regionen, aber keine Kreise und auch keine Regierungspräsidien mehr gibt, so bangen die Landräte, dann könnte dies das Fanal für eine allgemeine Verwaltungsreform sein. Und dann bräuchte es keine Landräte mehr.

Die Schuldenbremse zwingt zum Sparen

Tatsächlich verficht die Landes-SPD seit Jahren ein Regionalkreiskonzept. Doch die Polizeireform bietet dafür – obwohl bei beiden Modellen die Zahl zwölf eine zentrale Rolle spielt – kein Schnittmuster. Esslingen zum Beispiel wird künftig dem Polizeipräsidium Reutlingen zugeordnete, politisch aber gehört es zur Region Stuttgart. Gleichwohl könnte ein Gelingen der Polizeireform eine weiter ausgreifende Reformdynamik freisetzen. Doch das ist Zukunftsmusik. Wer die Landkreise durch Regionen ersetzt, muss auch eine Gemeindereform ins Werk setzen, denn er braucht für die Aufgabenerledigung vor Ort größere Kommunen. Das ist ein gewaltiges Unterfangen, an das sich nur sattelfeste Regierungen heranwagen.

Jetzt ist erst einmal Innenminister Gall an der Reihe, und der geht von der zutreffenden Erkenntnis aus, dass die Landesfinanzen mit den wachsenden Ansprüchen an die Polizei nicht mithalten. Die verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse zwingt Grün-Rot auf einen Sparkurs, der auch an der Polizei nicht vorbeiführt. Dabei fehlen nach internen Berechnungen schon jetzt an die tausend Beamte. Diese Stellen will Gall mit seiner Organisationsreform intern schöpfen.

Die Landräte bauen einen Popanz auf

Kein vernünftig denkender Mensch kann sich der inneren Logik dieser Reform verschließen. Weshalb die Kritiker – neben den Kommunalverbänden ist dies die Opposition im Landtag – ihrem lauten „Aber“ immer ein leises „Ja“ voranstellen. Ja, mehr Effizienz sei nötig, aber die Reform falle zu ambitioniert aus. Natürlich lässt sich die Frage aufwerfen, ob die künftigen Regionalpräsidien nicht zu groß sind und die Wege zu lang. Im Zweifel gebären neue Strukturen nur neue Bürokratie. In Bayern ist eine ähnliche Reform, bei allerdings deutlich größeren Gebietszuschnitten, bisher kein Erfolg.

Ein bisschen mehr Kooperation, wie von der Opposition im Landtag vorgeschlagen, wird allerdings auch nur ein bisschen Effizienzgewinn erbringen. Und von einer „Politik gegen den ländlichen Raum“ zu sprechen, wie die Landräte das tun, entspricht vielleicht deren Abneigung gegen die Regierung in Stuttgart. In der Sache bauen sie aber einen Popanz auf. Nicht viel besser macht es der Gemeindetag. Er verlangt deutlich mehr Polizei in der Fläche, lehnt die Reform aber ab. Da stellt sich dann schon die Frage, wie das gehen soll, ohne noch mehr Schulden aufzunehmen. Vielleicht warten die Bürgermeister darauf, dass es das Geld für die Polizisten vom Himmel regnet. Das ist dann aber mit Sicherheit keine sehr viel Erfolg versprechende Strategie.