Der Bericht zur deutschen Reaktorsicherheit ebnet Schwarz-Gelb den Weg zum Atomausstieg, meint StZ-Politikredakteurin Bärbel Krauß.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Politik braucht Veranschaulichung, um für die Bürger begreifbar zu sein. Deshalb hat sich die Regierung für den Weg zum früheren Atomausstieg eine sorgfältige Choreografie zurechtgelegt - mit Tanzeinlagen für jede Etappe. Auf das Moratorium der Kanzlerin über die Abschaltung von sieben Altmeilern sollte erst der Statusbericht über die Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke und dann die Expertise der Ethikkommission folgen. Beides gemeinsam soll dann nach dem Willen der Physikerin Angela Merkel als Fundament für das diesmal wohlabgewogene Energiekonzept ihrer Regierung dienen.

 

Doch ganz so geordnet, wie die Choreografie es vorsieht, wird der Ablauf nicht sein. Nicht nur, dass Parlamentarier und Regierende von Bund und Ländern bereits um eine Verlängerung bis Anfang Juli eingekommen sind, um das neue Atomgesetz auf den Weg zu bringen. Dies zeugt davon, dass politische Prozesse schwerer zu steuern sind als die anspruchsvollste Ballettaufführung. Hinzu kommt, dass die Ethikkommission - ohne die Vorarbeit der Reaktorsicherheitsexperten im Mindesten zu berücksichtigen - bereits an einem Resolutionsentwurf mit dem Ausstiegsdatum 2021 herumgetüftelt hat. Das zeigt, dass man die einzelnen Expertisen nicht überbewerten darf. Selbst dann nicht, wenn sie nicht nur der Show für die interessierten Wahlbürger und die nach wie vor zögernden Kernenergiebefürworter in den Parlamenten dienen. Es sind Entscheidungshilfen für die Politik - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Eine Zusammenschau detaillierter Sicherheitsinformationen

Das gilt auch für den Bericht zur deutschen Reaktorsicherheit nach Fukushima, den Umweltminister Röttgen und die zuständige Kommission am Dienstag präsentiert haben. Auf den ersten Blick enthält er keine grundstürzenden Erkenntnisse, die der schwarz-gelben Regierung neue Handlungszwänge aufnötigen würden. Er beschreibt auch keine unbekannten oder gar schockierenden Risiken. Dagegen ist der Bericht eine Zusammenschau detaillierter Sicherheitsinformationen. Sie können herangezogen werden, um die Restlaufzeit jener Kernkraftwerke zu definieren und zu staffeln, die bis zum endgültigen Atomausstieg in welchem Jahr auch immer weiterlaufen.

Das Wichtigste ist jedoch, dass die aktuelle Stellungnahme eine wissenschaftlich zwar nicht neue, aber nun noch einmal untermauerte Handhabe liefert, die sieben vom Moratorium betroffenen Altmeiler dauerhaft vom Netz zu nehmen. Die Kundigen in Administration und Ökoverbänden wissen zwar seit den Terroranschlägen vom September 2001, dass die deutschen Atommeiler gegen Flugzeugabstürze nicht gesichert sind. Dass vier der sieben Altmeiler gar nicht, und drei nur für den Absturz kleiner Maschinen ausgelegt sind, ist bekannt; es taugt nun aber als Begründung, um diese Kraftwerke endgültig stillzulegen und andere länger laufen zu lassen. So gesehen hätte Röttgen sich kaum einen geeigneteren Reaktorsicherheitsbericht für seine politischen Zwecke backen können.

Das lässt Röttgen, dem neuen Wirtschaftsminister Rösler und der Kanzlerin hoffentlich den Raum, die ausgerechnet von schwarz-gelben Wirtschaftspolitikern vorgetragene Forderung nach einer Revisionsklausel zum Atomausstieg so schnell wie möglich zu versenken. Sie wäre wirklich Gift für die Energiewende, die Stromwirtschaft und den Standort insgesamt. Denn sie würde Konzerne und Stadtwerke gleichermaßen zögern lassen, in die nötigen neuen Energiestrukturen zu investieren. Wenn die Investoren sich erneut aufs Abwarten verlegen - wie schon nach dem rot-grünen Atomausstieg, wie schon nach der schwarz-gelben Laufzeitverlängerung vom vergangenen Herbst -, kostet das Milliarden. Egal ob sie nun ehrlich als Sicherheitsvorsorge gemeint ist oder taktisch als Hintertür dienen soll: die Revisionsklausel muss vom Tisch, weil sie Wirkungen entfaltet, die sich das Land nicht leisten kann.