Anton Schlecker war kein guter Unternehmer. Doch auch die Gewerkschaft muss sich Fragen stellen lassen, meint Philipp Scheffbuch.

Stuttgart - Am Schluss wollten nur noch die Mitarbeiter den Erhalt von Schlecker. Alle andern haben abgewinkt: die Lieferanten, die Kunden und zuletzt auch mögliche Investoren. Jede Gruppe für sich hatte Gründe, warum die lange Zeit erfolgreichste deutsche Drogeriekette für sie entbehrlich geworden war. Seit Freitag steht fest: Schlecker verschwindet, 13 200 Menschen verlieren ihre Arbeit, 40 Prozent der Betroffenen sind älter als 50 Jahre, eine vergleichbar bezahlte Stelle zu finden, dürfte in den meisten Fällen schwierig werden. Gestern war kein guter Tag für die Schlecker-Mitarbeiter, aber auch kein guter Tag für die Gewerkschaft Verdi.

 

Es ist der Gewerkschaft nicht vorzuwerfen, dass sie lange Zeit gegen die menschenunwürdigen Zustände bei Schlecker gekämpft hat. Das war notwendig, das war ihre Pflicht. Anton Schlecker war kein guter Unternehmer, sein Umgang mit den Mitarbeitern war jahrzehntelang miserabel. Verdi ging dagegen vor, und zwar vehement. Die Gewerkschaft bezeichnete das eigene Vorgehen als Kampagne. Das Wort Kampagne bedeutete ursprünglich Feldzug. Die Bezeichnung trifft zu: Verdi hatte sich einen Gegner auserkoren, um ihn wirkungsvoll zu treffen. Zu wenig differenziert, zu kämpferisch hat die Gewerkschaft suggeriert, es gebe im Handel nur Schwarz und Weiß. Die vorherrschenden Grautöne in der Branche wurden ausgeblendet.

Zuletzt war Schlecker ein Vorzeigeunternehmen

Künftig wird es keine Firma Schlecker mehr geben. Dabei hatte der Inhaber in der Auseinandersetzung mit Verdi längst die weiße Fahne gehisst: Am Schluss gab es in seinem Unternehmen so viele Betriebsräte und Vollzeitstellen wie wohl bei keinem anderen großen deutschen Einzelhändler, es gab eine Beschäftigungssicherung und flächendeckend tarifliche Löhne. Aus Sicht von Verdi war Schlecker zum Vorzeigeunternehmen der Branche geworden, leider drang diese Botschaft nicht zum Kunden durch. Verdi hat die Langzeitwirkung der eigenen Kampagne unterschätzt und später viel zu zögerlich gegengesteuert.

Natürlich gibt es auch andere Gründe für das Scheitern von Schlecker. Die Läden waren nicht mehr modern, der Inhaber reagierte weder auf neue Bedürfnisse noch auf erfolgreiche Konkurrenten, und am schlimmsten für die Kundschaft: Schlecker war zuletzt nicht mehr billig, die Preisführerschaft übernahm die Konkurrenz.

Ein Filialist, den niemand haben wollte

Viele Hersteller haben Schlecker zuletzt hängen lassen, die Kette wurde nur noch zögerlich beliefert. Kunden mögen aber keine leeren Regale. Für das Verhalten der Lieferanten gibt es Ursachen: Zu dreist hatte Schlecker jahrelang die Einkaufspreise gedrückt, Werbekostenzuschüsse verlangt und Zahlungsziele verlängert. Während die Ehinger expandierten und auch immer mehr orderten, wurde das noch akzeptiert. Mit den ersten Rückgängen kam der Bumerang aber zurück: den Herstellern war die Zukunft von Schlecker sichtbar egal.

Schwindende Kunden, schwindende Lieferungen und hohe Schulden: da wundert es nicht, dass sich niemand ernsthaft für Schlecker interessierte. Am stärksten abgeschreckt hat mögliche Investoren, dass die Kette – entgegen ursprünglicher Prognosen des Insolvenzverwalters – auch nach Schließung von bundesweit 2200 Filialen Tag für Tag fast 100 000 Euro Verlust eingefahren hat. Daran lässt sich ablesen, dass der Sanierungsplan fehlgeschlagen ist. Dass der Insolvenzverwalter auch die hohe Zahl an Kündigungsschutzklagen als ursächlich für das Aus von Schlecker anführt, dient wohl eher der Verschleierung eigener Fehleinschätzungen. Investoren entscheiden zuvorderst nach der operativen Wirtschaftlichkeit. Weil die aber nicht wiederhergestellt werden konnte, haben letztlich nur Resteverwerter für Schlecker geboten.

Jetzt wird Schlecker zerschlagen. Ein Filialist, den niemand mehr wollte, wird aufgelöst. Der Markt funktioniert. Die Mitarbeiter kann das nicht trösten.