Doch anders als in Transnistrien wäre die ukrainische Tragödie vermeidbar gewesen. Der Westen ließ den Geist aus der Flasche, als er die Protestler auf dem Kiewer Maidan – darunter bekennende Faschisten – zu Vorkämpfern für Demokratie hochjubelte. Der Streit über die Assoziierung mit der EU oder eine Integration in die russisch dominierte Eurasische Union, mit dem die Krise begann, war nur der Anlass dafür, dass Spannungen zum gewalttätigen Konflikt eskalierten. Jahrhundertelang war die Ukraine Spielball der Großmächte und wurde mehrfach geteilt. Das Land ist bis heute nicht zu einer Einheit zusammengewachsen. Die Clanwirtschaft der postkommunistischen Machthaber – von Viktor Juschtschenko bis Viktor Janukowitsch – machte die ohnehin konfliktträchtige Lage noch explosiver. Und die Gewalt-exzesse am Wochenende in Mariupol geben jenen recht, die warnten, das Blutbad von Odessa vor einer Woche sei erst der Anfang, nicht das Ende.

 

Ähnliches sei der Krim nur durch den Russlandbeitritt erspart geblieben, glaubt Putin. Der Westen spricht von Annexion und Rechtsbruch, muss sich dabei jedoch von Moskau vorhalten lassen, dass im Völkerrecht stets zwei Prinzipien konkurrieren: das Recht von Staaten auf territoriale Integrität und das Recht von Ethnien auf nationale Selbstbestimmung.

Im Falle Kosovo forcierte der Westen 1999 die Abspaltung. Als sich Südossetien und Abchasien 2006 für unabhängig von Georgien erklärten, zog Russland die Fäden. Die Interessen der eigentlichen Konfliktparteien waren dabei sekundär. Aus russischer Sicht jedenfalls begann der Kalte Krieg 2.0 nicht mit Putins Machtpolitik seit dem Jahr 2000, sondern im Kosovo.

Die Lage in der Ukraine wäre für Russland wie für den Westen eine Gelegenheit, endlich den Part des ehrlichen Maklers zu übernehmen und sich auf ergebnisorientiertes gemeinsames Krisenmanagement zu besinnen. Das würde den Ukrainern guttun, und es wäre auch die Chance für einen Neustart der russisch-amerikanischen Beziehungen. Davon hängt der Weltfrieden ab, der in den letzten siebzig Jahren selten so gefährdet war wie heute.