Bis zur Wahl haben sie durchgehalten, nun wird das tiefe Zerwürfnis im Lager der Projektgegner von Stuttgart 21 offenbar.   

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Ablösung der schwarz-gelben Landesregierung ist eines der großen Ziele der Stuttgart-21-Gegner gewesen. Nun, da dies erreicht ist, bricht das aus zehn Gruppen und Parteien gebildete Aktionsbündnis gegen das Milliardenprojekt auseinander. Die Akteure machen sich gegenseitig heftige Vorwürfe, und Gangolf Stocker, Veteran des Stuttgart-21-Protests, zieht sich aus dem Bündnis zurück.

 

Am Montagabend, bei der 69. sogenannten Montagsdemo vor dem Hauptbahnhof, hatte Gangolf Stocker wieder einen Auftritt, vermutlich seinen letzten. Nicht, dass er in seinen Aktivitäten gegen Stuttgart 21 nachlassen wollte. Doch der Wahlsieg von Grün-Rot bedeute eine Zäsur, das Bündnis müsse sich "neu definieren". An die Zukunft der Montagsdemonstrationen, die er von Anfang an mitorganisiert hat und damit den Protest gegen das Projekt zu einer Massenbewegung gemacht hat, glaubt Stocker nicht. "Die Teilnehmerzahlen werden abbröckeln", so seine Prognose.

Es gibt aber einen nicht weniger wichtigen Grund, warum der SÖS-Stadtrat sich zurückzieht: der Konflikt mit den sogenannten aktiven Parkschützern um Matthias von Herrmann und "die Personen im Bündnis". Dass Stocker die Aktionen dieser Gruppe, die ebenfalls im Bündnis vertreten ist, missbilligt, ist nicht neu.

Erneuter Streitfall in der Wahlnacht

Noch in der Wahlnacht gab es aber einen neuen Streitfall, als hunderte Parkschützer den Bauzaun an der Nordseite des Hauptbahnhofes niederrissen und ein 18 Tonnen schweres Bohrgerät beschädigten, indem sie Zucker in den Tank füllten. Von Herrmann sagte am Montag: "Das war eine symbolische Aktion, dass der Baustopp beginnt."

Gangolf Stocker findet dafür deutliche Worte. "Nachts besoffen Bauzäune einreißen, das ist nicht mein Stil." Nicht abgesprochene Aktionen wie diese nach der "Mappschiedsparty" auf dem Schlossplatz habe es immer wieder gegeben. Auf der Montagsdemonstration machte er den Konflikt auch gegenüber den eigenen Anhängern nochmals deutlich. Die Aktion am Bahnhof habe dazu geführt, dass Leute ihre Profile auf der Internetseite der Parkschützer hätten löschen wollen. Die Parkschützer hätten aber nichts mit dem Sprecher der Aktivisten, von Herrmann, zu tun.

Vor Aktionen wie in der Wahlnacht hat am Montag auch der Tübinger OB Boris Palmer gewarnt. Wer jetzt "Selbstjustiz" betreibe, so der Grüne, werde "die Unterstützung der Bevölkerung verlieren". Der Ausstieg aus Stuttgart 21 könne nur geordnet verlaufen. Das dürften auch Werner Wölfle und Muhterem Aras so sehen, die, als sie sich am Sonntagabend auf dem Schlossplatz für ihre Wahl bedanken wollten, von Matthias von Herrmann nicht auf die Bühne gelassen wurden. Am Montagabend durfte Wölfle den Dank dann nachholen.

Hinter all dem steckt ein tiefes Zerwürfnis der Beteiligten im Bündnis, wobei die Frontlinie nicht einfach zwischen den Parkschützern und den anderen verläuft. "Die ewigen Debatten, der Umgang untereinander", das gibt Stocker als Hauptgründe für seinen Rückzug an. "Der war überfällig."

Massive Vorbehalte gegeneinander

Doch das bleibt nicht unwidersprochen. "Selbstherrlichkeit im Ton eines Oberbefehlshabers" und "persönliche Diffamierungen unterhalb der Gürtellinie" wirft Irmela Neipp-Gericke, die für die Grünen im Bündnis sitzt, Stocker vor. Mit einer kleinen Gruppe ergebener Gefolgsleute habe dieser "regelmäßig demokratische Beschlüsse des Bündnisses übergangen". Sylvia Heimsch von den aktiven Parkschützern spricht von Mobbing. "Menschlich war das richtig schlimm", sagt sie.

Wie es mit dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 nun weitergeht, soll am Dienstag bei einem Treffen besprochen werden. Matthias von Herrmann hat vorab aber schon mal erklärt: "Das Projekt ist noch nicht am Ende, die Montagsdemos werden fortgesetzt." In welcher Form, das wiederum ist laut Gangolf Stocker völlig offen.