Die Konzilsfeierlichkeiten in Konstanz dauern noch bis 2018. Danach könnte ein riesiges Panorama von Yadegar Asisi dauerhaft an den Kirchenkonvent vor 600 Jahren erinnern. Doch viele wollen eigentlich nicht noch mehr Besucher.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Konstanz - Es muss ein tiefes Loch gewesen sein, in das die Konstanzer im Jahr 1418 gefallen sind. Fünf Jahre lang hatte die Welt an den Bodensee geblickt. Zeitweise drängten sich 70 000 Menschen in der damals 6000 Einwohner zählenden Stadt. Dann vertagte der frisch gewählte Papst das Konzil, und alle zogen ab: Bischöfe, Fürsten, Hübschlerinnen. König Sigismund bezahlte nicht mal seine Zeche. Zurück blieben Dreck, Schulden und eine große Zahl vaterloser Konzilskinder.

 

Das Großereignis jährt sich gerade zum 600. Mal und wird groß gefeiert. Wie damals fühlen sich die Konstanzer auch jetzt ziemlich überlaufen. Das liegt weniger am fünf Jahre währenden Festprogramm als am ausufernden Schweizer Einkaufstourismus. Dennoch reifen erste Überlegungen, wie vom wichtigsten Ereignis der Konstanzer Stadtgeschichte auch nach 2018 touristisch profitiert werden könnte.

So groß wie ein halbes Fußballfeld

Eine Idee hat der Pforzheimer Unternehmer Wolfgang Scheidtweiler ins Spiel gebracht. Er möchte den Künstler Yadegar Asisi mit der Produktion eines seiner Panoramabilder beauftragen. Auf einer 360-Grad-Leinwand von der Größe eines halben Fußballfeldes sollen alle wichtigen Konzilsstätten gezeigt werden: das Kloster Petershausen, wo der König zeitweise nächtigte, die Hinrichtungsstätte vor den Toren der Stadt, wo der Reformator Jan Hus als Ketzer verbrannt wurde, das Warenhaus am See, in dem das Konklave zusammentrat. „Ich fände das für die Stadt spannend“, sagt Wolfgang Scheidtweiler.

Eigentlich ist der Investor in einem ganz anderen Metier tätig. Nicht weniger als fünf Privatbrauereien nennt er sein Eigen. Auch an der Konstanzer Ruppaner-Brauerei hält seine Familie Anteile. Dennoch ist die Idee für das Panorama keineswegs aus einer Bierlaune heraus entstanden. Schon vor zwei Jahren hat der 69-Jährige im alten Gasometer in Pforzheim Asisis „Forum Romanum“ aufhängen lassen. Früher lagerten dort die Gasvorräte. Heute erleben die Besucher von einem Turm in der Mitte des Rundbaus aus, wie zwischen den antiken Ruinen der Tag anbricht und die Vögel zwitschern, wie Kaiser Konstantins siegreiche Armeen von der Schlacht an der Milvischen Brücke heimkehren und wie die Abendsonne die Überreste des Saturn-Tempels in sanftes Rot taucht.

In Pforzheim ein Retter, in Konstanz ein Bittsteller

Mehr als 150 000 Besucher genossen im ersten Jahr den Rundumblick, 2016 waren es noch mehr. Mit einem solchen Publikumsmagneten will Scheidtweiler jetzt auch Konstanz beglücken. „Die Stadt liegt mir am Herzen“, sagt er, wobei sie dem Brauer mittlerweile auch ziemlich auf der Leber liegen dürfte. In seiner Heimat war er von der Kommunalpolitik hofiert worden. Der Konstanzer Gemeinderat reagierte hingegen reserviert, was auch an den baulichen Gegebenheiten liegen dürfte. Denn in Pforzheim rettete Scheidtweiler den denkmalgeschützten Glockengasbehälter. In Konstanz wurde die historische Industriemeile am Seerhein, wo das Panorama platziert werden soll, in den vergangenen Jahren abgeräumt, ein Neubau müsste her. Der erforderliche 40 Meter hohe Trog wäre ein Solitär, der sogar die dortige neue Rheinbrücke überragt.

Insofern fehlt es an einer ungetrübt positiven Einstellung gegenüber dem Historientempel. Respektlos wurden Asisis „weltgrößte Panoramen“ (Eigenwerbung) im Herbst in öffentlicher Sitzung als „Wimmelbilder“ abgewertet. Sie seien „handwerklich gut gemacht“, vermittelten aber einen „unkritischen Umgang mit der Geschichte“. Doch am Ende sprach sich die Mehrheit des Gemeinderats dafür aus, das Projekt weiterzuverfolgen. Doch der Grund, den manche anführten, verärgerte den Investor zusätzlich: Es störe schließlich nicht, hieß es gönnerhaft.

Wenigstens der OB ist begeistert

„Wenn der Künstler auch nur ansatzweise mitbekommt, wie hier diskutiert wird, ist das Projekt tot“, warnt Scheidtweiler. Der hat selbst erst einmal genug. Verärgert teilte er dem Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) das „vorläufige Ende“ aller Planungen mit. „Wenn das 30 Prozent nicht wollen, hat es keinen Sinn.“

Die Stadtspitze versucht derweil, Stimmung für das Panorama zu erzeugen. „Wir sind begeistert“, versichert der Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn. Das Asisi-Panorama sei eine tolle Möglichkeit, sich der Geschichte einmal aus einer anderen Perspektive zu nähern, meint der OB. Und der einflussreiche Chef der Konstanzer Museen, Tobias Engelsing, attestierte dem Panorama in einem Gastbeitrag im „Südkurier“, es besitze „ohne Zweifel“ das Potenzial, Tagestouristen anzuziehen – wobei das Lob dann doch eher schal klang: „Man kann staunen, ohne viel lernen zu müssen – das liebt die Freizeitgesellschaft.“

Mal wieder in die „Tagesschau“?

Wie dem auch sei, es macht sich in der Stadt ein Umdenken breit. Vermutlich hat mancher Stadtrat zur Kenntnis genommen, dass es die Eröffnung von Asisis Luther-Panorama in Wittenberg jüngst sogar in die „Tagesschau“ geschafft hat. Zudem sind die Tage in der kalten Jahreszeit am Bodensee besonders grau und dunkel, und so dürfte manchem aufgefallen sein, was schon in der damaligen Sitzung ein Stadtrat feststellte: dass Indoor-Freizeitangebote für Touristen in Konstanz rar gesät sind. Und überhaupt: Was passiert, wenn ein anderer Wechselkurs den Ansturm aus der Schweiz einmal versiegen lässt? Fällt Konstanz dann wieder in eine 600-jährige Depression? „Es wäre schade, Konstanz zur reinen Einkaufsstadt verkommen zu lassen“, sagt jedenfalls Scheidtweiler. Vielleicht kommt man ja doch noch zusammen. Asisi hat in der Wochenzeitung „Die Zeit“ kürzlich schon sein Interesse signalisiert. Zwischen Rom und Luther sei das Konstanzer Konzil eine passende Ergänzung. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.gasometer-in-pforzheim-illusion-vom- antiken-rom.9456a0b6-ce84-42b7-9d48-82f9c66a69ab.html http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.deutsche-geschichte-gebannt-vom- stechenden-blick-der-ddr-grenzer.0d77f1bb-44f6-4647-bc76-709f9d9a43...