Konstanz ist bis auf den heutigen Tag so stolz auf den mittelalterlichen Rummel, dass das Konzil fünf Jahre lang gefeiert wird. Selbst die Verbrennung des vermeintlichen Ketzers Jan Hus am 6. Juli 1415 wird hier noch zum Ereignis. Nach Hus, der tatsächlich ein Reformer war, wurde ein Jahr später auch sein Schüler Hieronymus von Prag außerhalb der Stadt in den Feuertod geschickt.

 

Derlei zu wissen, sollte eigentlich genügen, denkt man sich. Doch, wie heißt es immer: man soll die Welt von oben betrachten um einen Überblick zu gewinnen und sich seinen eigenen Standpunkt klar zu machen. Der Mensch will das offenbar: sinnlose Dinge tun, damit sie getan sind. Heute zum Beispiel: bei dieser Affenhitze einen Kirchturm besteigen.

193 Stufen führen zum Westturm oder auch Mittelturm hinauf, dann noch einmal 52 Stufen über eine Wendeltreppe – das hat uns die Frau an der Kasse auf den Weg mitgegeben. Der Nord- und Südturm sind gesperrt, sagt sie noch. Da werde gebaut. So wie am Münster seit Jahrhunderten immer irgend etwas gebaut oder ausgebessert wird. Erst seit sechs Jahren seien die Türme wieder begehbar. Oben hätte ich, was ich suchte: eine schöne Aussicht. Konstanz und der ganze Bodensee lägen mir zu Füßen. Außerdem sei es angenehm windig.

In die Stephanskirche gehen die Konstanzer zum Beten

196 Stufen zähle ich, als ich die Stufen des Turms hinauf schnaufe und noch einmal 76 Treppen die Wendeltreppe hinauf. Meiner Rechnung nach zumindest. Dann betrete ich das Oktogon, von dem aus acht Türen ins Freie führen. Eigentlich. Doch davon sind auch nur drei offen. Es ist stickig und noch heißer als unten. Auch darauf hatte mich die Frau an der Kasse schon vorbereitet. Ich muss warten, bis meine Vorgänger die Aussicht frei gemacht haben.

Dann endlich umweht mich ein subtropisch warmer, aber angenehmer Wind. Dunkelblau breitet sich der Bodensee aus. Zwei, drei Kursschiffe und einer der Großkatamarane ziehen an Segelbooten vorbei, dazwischen hüpfen wie lustige Spielzeuge Motorboote umher.

Am Münster wird immer gebaut – seit Jahrhunderten

Konstanz ist bis auf den heutigen Tag so stolz auf den mittelalterlichen Rummel, dass das Konzil fünf Jahre lang gefeiert wird. Selbst die Verbrennung des vermeintlichen Ketzers Jan Hus am 6. Juli 1415 wird hier noch zum Ereignis. Nach Hus, der tatsächlich ein Reformer war, wurde ein Jahr später auch sein Schüler Hieronymus von Prag außerhalb der Stadt in den Feuertod geschickt.

Derlei zu wissen, sollte eigentlich genügen, denkt man sich. Doch, wie heißt es immer: man soll die Welt von oben betrachten um einen Überblick zu gewinnen und sich seinen eigenen Standpunkt klar zu machen. Der Mensch will das offenbar: sinnlose Dinge tun, damit sie getan sind. Heute zum Beispiel: bei dieser Affenhitze einen Kirchturm besteigen.

193 Stufen führen zum Westturm oder auch Mittelturm hinauf, dann noch einmal 52 Stufen über eine Wendeltreppe – das hat uns die Frau an der Kasse auf den Weg mitgegeben. Der Nord- und Südturm sind gesperrt, sagt sie noch. Da werde gebaut. So wie am Münster seit Jahrhunderten immer irgend etwas gebaut oder ausgebessert wird. Erst seit sechs Jahren seien die Türme wieder begehbar. Oben hätte ich, was ich suchte: eine schöne Aussicht. Konstanz und der ganze Bodensee lägen mir zu Füßen. Außerdem sei es angenehm windig.

In die Stephanskirche gehen die Konstanzer zum Beten

196 Stufen zähle ich, als ich die Stufen des Turms hinauf schnaufe und noch einmal 76 Treppen die Wendeltreppe hinauf. Meiner Rechnung nach zumindest. Dann betrete ich das Oktogon, von dem aus acht Türen ins Freie führen. Eigentlich. Doch davon sind auch nur drei offen. Es ist stickig und noch heißer als unten. Auch darauf hatte mich die Frau an der Kasse schon vorbereitet. Ich muss warten, bis meine Vorgänger die Aussicht frei gemacht haben.

Dann endlich umweht mich ein subtropisch warmer, aber angenehmer Wind. Dunkelblau breitet sich der Bodensee aus. Zwei, drei Kursschiffe und einer der Großkatamarane ziehen an Segelbooten vorbei, dazwischen hüpfen wie lustige Spielzeuge Motorboote umher.

Unter mir drängen sich die Menschen um die Sonnenschirme der Cafés und Restaurants. Schräg gegenüber liegt Sankt Stephan. Ins Münster, so heißt es in Konstanz, gehen die Touristen zum Gucken, in die Stephanskirche gehen die Konstanzer zum Beten. Diese Kirche ist noch viel älter als das Münster; ihre Ursprünge sollen bis in die Römerzeit zurückreichen.

Die Kurtistane Imperia – millionenfach verewigt

Ewiglich möchte man hier oben bleiben. An klaren Tagen sieht man Bregenz und die Berggipfel Vorarlbergs und manchmal die Zugspitze. Gen Süden ist das gesammelte Schweizer Bergpanorama zu haben – von den sieben Churfirsten im Toggenburger Land bis hin zu Eiger, Mönch und Jungfrau in den Berner Alpen. Heute ist es diesig, so dass sich die Gipfel nur erahnen lassen.

Mehr als 1400 Jahre ist das Münster nun das Wahrzeichen von Konstanz. Es trägt den Beinamen Unserer Lieben Frau. Vor 21 Jahren hat eine andere liebe Frau damit begonnen, ihm den Rang als Wahrzeichen streitig zu machen. Seit dem 23. April 1993 dreht sich die Imperia des Bildhauers Peter Lenk aus Bodman am Eingang des Konstanzer Hafens.

In satirischer Anspielung an das Konzil hält die Kurtisane zwei kleine Männlein: In der einen Hand den Kaiser Sigismund und in der anderen den in Konstanz gemachten Papst Martin V. Ihr Schöpfer Lenk aber weist listig darauf hin, dass es sich hierbei nur um Gaukler handelt, die sich die Insignien der Macht widerrechtlich angeeignet hätten.

Von Touristen millionenfach fotografiert, auf Postkarten tausendfach verewigt und auf Titelblättern von Magazinen und Bildbänden rückt die ewige Hure Unsere Liebe Frau des Münsters ins Abseits. Von der Münsterspitze aus aber ist gerade mal der Kopf der Imperia zu sehen.