Avitall Gerstetter, die erste jüdische Kantorin in Deutschland, kommt am Samstag zu einem Benefizkonzert in die Winnender Schlosskirche. Tags darauf am Sonntag singt sie in der ehemaligen Synagoge Freudental im Kreis Ludwigsburg.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - Wie viel Energie in dieser Frau steckt, ahnt man schon beim ersten Ton, den sie singt. Eine klare Stimme erfüllt die Winnender Borromäuskirche, zieht die Zuhörer sofort in ihren Bann und lässt sie für den Rest des Konzerts nicht mehr los. Vor zwei Jahren sang Avitall Gerstetter, die sich als Sängerin kurz Avitall nennt, zum ersten Mal in Winnenden. Der Landtagsabgeordnete Willi Halder (Grüne) hatte sie zuvor getroffen. „Als sie hörte, dass ich aus Winnenden bin, hat sie spontan eine Benefizkonzert vorgeschlagen.“ Es war eine kleine Sensation, die Halder damals am Winnenden-liest-Abend verkünden konnte. Denn Avitall Gerstetter ist eine gefragte Künstlerin, die in aller Welt Konzerte gibt. Und es geschafft hat, sich als erste Frau in einer Männerdomäne durchzusetzen: Sie ist die erste Kantorin einer jüdischen Gemeinde in Deutschland.

 

Zwei Konzerte in der Region am Wochenende

Die Zahl ihrer Fans ist groß. Neben dem früheren israelischen Premierminister Simon Peres zählt Sting zu ihren Bewunderern, die sie wegen ihrer Stimme „Avitall, die Nachtigall“ nennen. Neben religiösen Liedern singt die 1972 in Berlin geborene Avitall Gerstetter auch Jazz und Pop – so gibt es eine Live-Aufnahme des Sting-Klassikers „Fields of Gold“ auf der CD „Avitall live in Berlin“, den sie im Duett mit Dominic Miller singt. Das Cover der CD hat übrigens ihr Vater gestaltet, der aus Leonberg stammende Banknoten-Designer Reinhold Gerstetter, der auch die letzte Serie von Deutsche-Mark-Geldscheinen kreierte.

Nun wird die Musikerin am Samstag um 20 Uhr wieder in Winnenden erwartet. Wieder ist es ein Benefizkonzert, der Eintritt um 20 Uhr ist frei, es wird um Spenden gebeten, die an den Förderverein der Stiftung gegen Gewalt an Schulen gehen. Wie vor zwei Jahren: damals hatte Halder ihr von der Arbeit der Stiftung erzählt, die nach dem Amoklauf an der Albertville-Realschule ins Leben gerufen worden war.

Tags darauf, am Sonntag, hat sie noch einen Auftritt in der Region. Am Sonntag singt Avitall Gerstetter um 18 Uhr im Pädagogisch-Kulturellen Centrum (PKC) Freudental (Kreis Ludwigsburg), der einstigen Synagoge des Ortes, in der Strombergstraße 19. Karten kosten 15 Euro, Reservierungen (0 71 43/2 41 51) sind erwünscht.

Ausbildung zur Kantorin in New York

Avitall Gerstetter stammt aus einer traditionell orientierten Familie. Ihre Mutter ist Musiklehrerin, bereits als Kind spielte sie Klavier und Klarinette, die Instrumente, die sie nach dem Abitur an der Universität der Künste Berlin studierte. Ihr Hauptfach war aber Gesang, schon früh hatte man ihr Talent entdeckt, als sie im Chor der Synagoge Pestalozzi-Straße in Berlin sang. In New York ließ sie sich zur Kantorin ausbilden – ein unorthodoxes Unterfangen, da bis dahin nur Männer als Kantoren in jüdischen Gemeinden in Deutschland tätig waren. Doch ihre Gemeinde hatte die junge Frau dazu ermutigt.

Seit 14 Jahren übt sie dieses wichtige Amt nun aus. Als Kantorin leitet sie mit ihrem Gesang den Gottesdienst. „Der Kantor ist die Seele der Gemeinde“, sagt sie in einem sehenswerten Porträt, das der SWR im September 2015 von ihr drehte. Außerdem unterrichtet Avitall Gerstetter jüdische Religion und Musik.