Die Alternative-Rock-Band Blackmail aus Koblenz hat am Freitagabend im Universum in Stuttgart mit neuem Sänger alte Songs gespielt. Die Band wie auch die Fans brauchten ein bisschen, um aufzutauen. Doch dann ging’s ab.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Sex and Drugs and Rock’n’Roll gehen immer. Wenn einer öffentlich vom Drogenkonsum erzählt, dann macht das die Leute offenbar locker. Auch wenn am Ende gar keine verbotenen Substanzen konsumiert werden. Denn in einem Punkt hat der Blackmail-Mastermind Kurt Ebelhäuser an diesem Freitagabend im Universum nicht recht: Crack ist auch in diesem Raum verboten.

 

Es kommt niemand auf die Bühne, um zu kontrollieren, was Ebelhäuser da im Paper hat. Der Gitarrist selbst stellt vor dem Zugabenblock klar: „Das ist keine Zigarette. Das ist Crack. Das ist hier erlaubt.“ Sagt’s und fängt an, loszujammen. Der Sänger Matthias Reetz kommt da an der Gitarre nicht zu hundert Prozent mit. Das macht aber nichts, denn der Rest der Band ist so gut eingespielt, dass dieser letzte Teil des Konzerts auch der beste ist.

Der Kleene und die Männerchöre

Mit „Friend or Foe“ (2003), Aerial View (2006) und Tempo Tempo (2008) hat die Band aus Koblenz in den Nullerjahren einige geradezu klassische Alternative-Alben eingespielt. In dieser Periode hat sich der Blackmail-Sound formiert: krachende, aber scharfkantige Gitarren, leicht näselnde Gesangparts, ein Hang zum komplexen Songwriting und detailverliebten Arrangement, das schonmal Männerchöre beinhalten kann.

Blackmail haben daran nur wenig verändert, seit der im Vergleich zu den Ebelhäuser-Brüdern geradezu jungenhaft wirkende Matthias Reetz am Mikro steht. „Der Kleene“, wie Bassist Carlos Ebelhäuser den Frontmann in einem Videointerview mal genannt hat, kam vor drei Jahren für den 2008 ausgestiegenen Aydo Abay zu Blackmail. Er erzählt ganz offen, dass der Gewöhnungsprozess noch immer nicht abgeschlossen ist. Und das, obwohl musikalisch unter Reetz fast alles gleich ist wie noch mit Sänger Abay.

Eine Zeitreise im Alternative Rock

Die erste Single vom zweiten Album, das er mit Blackmail gemacht hat und das entsprechend „II“ benannt ist, klingt zumindest ganz nach den alten Blackmail. „Impact“ verbindet weite Melodiebögen mit durchdrückenden Gitarren und Synthie-Sounds. Auch auf dem Rest des Albums ist beim Gesang kaum ein Unterschied zu Aydo Abays Stil zu hören. Wahrscheinlich haben Blackmail Matthias Reetz auch deshalb als dessen Nachfolger ausgewählt. Vielleicht haben sie auch einfach auf genau diese Art von Musik Lust. Letztlich, auch das zeigt der Freitag-Gig im Universum kommen die Leute auch genau deswegen zu Blackmail-Konzerten.

Der Auftritt in Stuttgart wird deshalb auch ein bisschen zur Zeitreise. Vor zehn Jahren klangen Blackmail-Songs ein ganzes Stück innovativer als sie es heute tun. Das muss nicht schlimm sein, weil der Blackmail-Sound eben die Power alternativer Gitarrenrockmusik mit Ausflügen in Synthesizer-Klangwelten und, am wichtigsten, viel Melodik verbindet.

Auf der Bühne reicht der Hinweis auf die Crack-Zigarette, um daraus Rock’n’Roll zu machen. Das Publikum, das sich zuvor eher zurückgehalten hat, springt darauf voll an. Plötzlich will einer Stagediven, also sich vom Publikum auf Händen tragen lassen, die Band spielt wie beseelt und die Fans schauen beglückt. Blackmail sind immer noch so wie früher. Was für die meisten im Saal die beste Nachricht des Abends ist.